Wir bayerischen Grüne stehen für eine rechtsstaatlich faire und humanitär verantwortliche Flüchtlingspolitik. Wir kritisieren, dass sich die bisherige Abschiebepraxis in Bayern insbesondere nach Afghanistan durch Härte und politische Inszenierung statt durch Humanität und Differenziertheit auszeichnet.
Begleitet von bundesweiten Protesten hat die Bundesregierung im Dezember 2016 begonnen, Menschen nach Afghanistan abzuschieben. Die CSU-Staatsregierung beteiligt sich an vorderster Stelle an den Sammelabschiebungen. Bei den bisherigen vier Sammelabschiebungen kamen 28 der insgesamt 92 abgeschobenen Afghanen aus Bayern. Ohne die Unterstützung durch Kirchengemeinden in Kirchenasyl wären es weit mehr Flüchtlinge aus Bayern gewesen.
Wir kritisieren es aufs Schärfste, dass Menschen, die seit Jahren hier lebend, gut integriert sind und für ihren eigenen Lebensunterhalt sorgen, aber auch junge Flüchtlinge, die als unbegleitete minderjährige Flüchtlinge zu uns kamen, abgeschoben werden, in ein Land, das nicht sicher ist. Afghanistan ist kein sicheres Land- für Niemanden und verfügt auch nicht über einzelne sichere Regionen. Abschiebungen nach Afghanistan sind inhuman und unverantwortlich.Eine solche Politik auf dem Rücken von Schutzsuchenden ist ein perfides Symbol, das Menschenrechte und die Werte unseres Grundgesetzes mit Füßen tritt und rechte Ressentiments bedient.
Wer nach Afghanistan abschiebt, gefährdet Leib und Leben der Betroffenen.
Für eine humane Flüchtlingspolitik müssen deshalb folgende Punkte dringend verändert werden:
Bundesregierung muss Sicherheitslage neu, seriös und realistisch bewerten
Trotz der Tatsache, dass in Afghanistan Krieg herrscht, dass monatlich viele Zivilist*innen sterben und dass sich die Situation in der vergangenen Zeit im ganzen Land dramatisch verschlechtert hat, verweist die Bundesregierung auf vermeintlich „sichere“ Gebiete in Afghanistan und auf angebliche „innerstaatliche Fluchtalternativen“. Eine Stellungnahme des UNHCR zur Situation in Afghanistan vom Dezember 2016 stellt jedoch klar, dass das gesamte Staatsgebiet Afghanistans von einem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt erschüttert ist und keine sicheren Gebiete innerhalb des Landes ausgemacht werden können.
Wir fordern den Bundesaußenminister daher auf, umgehend die längst überfällige Neubewertung der Sicherheitslage in Afghanistan vorzunehmen und so die Voraussetzungen für ein Ende der derzeitigen inhumanen Abschiebepraxis zu schaffen. Bei der Überprüfung müssen die Erkenntnisse des UNHCR und der vor Ort tätigen Hilfsorganisationen wie dem Roten Kreuz Berücksichtigung finden. Die Bundesregierung steht in der Pflicht, gerade bei so instabilen Staaten wie Afghanistan die Sicherheitslage kontinuierlich und gewissenhaft zu überprüfen.
Wir begrüßen es, dass Grüne in den Landesregierungen schriftlich das Auswärtige Amt dazu aufgefordert haben, seine Sicherheitseinschätzung zu Afghanistan zu korrigieren. Mehr als zynisch ist es, wenn der Bundesinnenminister meint, die Anschläge in Afghanistan zielten nur auf Staatseinrichtungen und nicht auf die Zivilbevölkerung. Bei den Anschlägen auf Gerichte, Krankenhäuser, Bildungseinrichtungen, Rotes Kreuz und auch Polizeidienststellen ist die Zivilbevölkerung das erste Opfer. 12.500 zivile Opfer gab es allein im letzten Jahr. Das Rote Kreuz verlor kürzlich bei einem Anschlag sechs Mitarbeiter und hat seither seine Arbeit in Afghanistan ausgesetzt.
Die falsche Lagebeurteilung führt nicht nur zu vielen Ablehnungen beim BAMF, die falsche Lagebeurteilung führt zu verhängnisvollen Abschiebeentscheidungen der Innenminister der Länder. Über 24.000 afghanische Asylsuchende allein hier in Bayern haben derzeit größte Sorge, dass ihre Asylgründe nicht anerkannt werden.
Die Angst vor Abschiebung in eine extrem unsichere Zukunft ist unter den Afghanen sehr groß.
Während früher die Anerkennungsquote afghanischer Geflüchteter um die 70% lagen, waren sie im Januar nur noch bei ca. 45%, davon 17% allein subsidiär. Die Vorgaben des Bundes wirken sich bereits aus. Wir brauchen dringend eine Neubewertung der Sicherheitslage durch das Außenministerium.
Keine Kopplung Rücknahmeabkommen gegen Finanzhilfen
Über 12 Jahre lang hat es aus gutem Grund einen Abschiebestopp nach Afghanistan gegeben. Es ist klare Grüne Position, diesen wieder in Kraft zu setzen. Erst ein Rückübernahmeabkommen der Bundesregierung mit der afghanischen Regierung war Grundlage dafür, Geflüchtete wieder nach Afghanistan abzuschieben.
Für uns bayerische GRÜNE sind solche Rückübernahmeabkommen, die die Rückübernahme von Staatsbürgern zur Voraussetzung einer entwicklungspolitischen Zusammenarbeit machen, ein Tabubruch. Diese Kopplung von Entwicklungszusammenarbeit und Rückkehrabkommen diskreditiert die Entwicklungszusammenarbeit, entzieht ihr ihre Glaubwürdigkeit und ist der Anfang vom Ende einer menschenrechtsbasierten Asyl- und Flüchtlingspolitik
Bayern muss humanitären Handlungsspielraum nutzen und Abschiebungen aussetzen
Wir fordern die bayerische Staatsregierung auf, ihre humanitären Handlungsspielräume beim Vollzug der Abschiebeentscheidungen konsequent zu nutzen. Bayern muss dem Beispiel einzelner Bundesländer wie Schleswig-Holstein folgen und einen Abschiebestopp bis zu drei Monaten erlassen.
Kirchen, Wirtschaft und die vielen Menschen, die sich in Helferkreisen für die Flüchtlinge in Bayern engagieren stehen auf unserer Seite – für eine humane Flüchtlingspolitik und eine verantwortungsvolle Integration aller Schutzsuchender: Die Landesbischöfe der beiden großen christlichen Kirchen, Heinrich Bedford-Strohm und Reinhard Marx, sprechen sich klar gegen Abschiebungen nach Afghanistan aus. Das begrüßen wir nachdrücklich.
Über 1.000 Menschen nahmen an einer bayernweiten Sternfahrt von Flüchtlingshelferkreisen teil und demonstrierten gegen die inhumane Asylpolitik der CSU-Staatsregierung und gegen ihre Abschiebepraxis nach Afghanistan. Diese Bürgerinnen und Bürger zeigen auf großartige Weise Menschlichkeit und engagieren sich, um Integration zu ermöglichen. Doch die Staatsregierung blockiert die Unterstützung von Integration, wo sie nur kann. Sie tritt alle Integrationsbemühungen der Geflüchteten, der Ehrenamtlichen und der Wirtschaft mit Füßen.
Drohbrief des Sozialministeriums muss umgehend zurückgenommen werden
Nicht hinnehmbar ist es, wenn das bayerische Sozialministerium in einem Schreiben an die Träger der Asylsozialberatung diesen einen Maulkorb in der Beratungsarbeit verpasst und mit der Kürzung von Fördermitteln droht, sollten diese die von Abschiebung Betroffenen weiter über Bleibemöglichkeiten und weitere Rechtsmittel gegen die drohende Abschiebung informieren. Die Einrichtungen haben sogar die Pflicht, Betroffenen umfassende Hilfestellung zu geben. Wir bayerische Grüne fordern die sofortige Rücknahme dieses Schreibens.
Integrationsleistung anerkennen
Es ist wirtschaftsfeindlich, Flüchtlinge, die sich gut integriert haben, abzuschieben. Viele bayerische Unternehmen bilden Flüchtlinge aus oder stellen sie als Fachkräfte an. Arbeit und Ausbildung eröffnet den Flüchtlingen Perspektiven. Die Ausbildungsgarantie im neuen Bundesintegrationsgesetz (3+2-Modell) hatte zum Ziel, Flüchtlingen und ausbildungswilligen Betrieben die nötige Rechts- und Planungssicherheit zu geben. Diese Regelung wird von der CSU-Regierung in Bayern systematisch unterlaufen. Das ist nicht hinnehmbar und
erschüttert das Vertrauen in Zusagen auf Bleibeperspektiven für Geduldete. Wir fordern von der CSU-Staatsregierung, die Ausbildungsgarantie endlich auch in Bayern rechtskonform anzuwenden. Ein Drittel der Auszubildenden mit Fluchthintergrund und viele Geflüchtete mit einer Ausbildungszusage sind aus
Afghanistan.
Flüchtlinge, die seit Jahren hier leben, hier arbeiten und gut integriert sind, müssen ein Bleiberecht erhalten. Die Fallzahlen in Bayern im Vergleich zu anderen Bundesländern sprechen eine deutliche Sprache: andere integrieren Flüchtlinge – Bayern tut das nicht.
Wir Grüne setzen uns dafür ein, dass:
-
alle rechtlichen Möglichkeiten zur Erteilung eines Bleiberechts aktiv
genutzt werden;
-
Abschiebungen nach Afghanistan in Bayern umgehend ausgesetzt werden;
-
eine Neubewertung der Sicherheitslage vorgenommen wird und ein
bundesweiter Abschiebestopp nach Afghanistan erlassen wird;
-
keine Rückübernahmeabkommen sowohl auf Bundesebene als auch auf
europäischer Ebene mit Afghanistan geschlossen werden.
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