Geflüchtete

Fluchtwege freimachen und Menschenleben sichern

Beschluss auf der Landesausschuss-Sitzung am 14.12.2019

Menschen auf der Flucht können auf legalen Wegen kaum noch den europäischen Kontinent und Sicherheit erreichen: Die Europäische Union begrenzt bewusst massiv den Zugang für Schutzsuchende über “legale Fluchtrouten” auf Resettlement-Programme oder Humanitarian Admission Programmes. Gleichzeitig schottet die EU ihre Außengrenzen systematisch und kaum durchlässig ab. Dazu schreckt sie auch nicht vor der Zusammenarbeit mit Drittstaaten zurück, die Diktaturen sind oder in denen inhumane Zustände herrschen. Die Folgen sind dramatisch: Die Schutzsuchenden stecken in Kriegs- und Krisengebieten fest, verelenden in (Internierungs-) Lagern, geraten in extreme Abhängigkeitsverhältnisse, ertrinken im Mittelmeer oder verdursten in der Wüste.

Dabei ist das Recht auf Leben, Freiheit und Sicherheit universell und endet nicht an den Grenzen Europas. Auch unsere Pflicht für diese Menschenrechte einzustehen endet nicht an der europäischen Außengrenze. Es steht uns nicht zu in (lebensbedrohlichen) Notsituationen die Fluchtgründe der Schutzsuchenden zu bewerten. Und erst Recht dürfen wir nicht über den Schutzanspruch der Menschen an den europäischen Außengrenzen entscheiden. In menschenunwürdigen Lagern wie Moria auf Lesbos zeigt sich deutlich, dass an den Außengrenzen weder faire und rechtsstaatliche Asylverfahren möglich, noch eine adäquate Unterbringung und Versorgung von Schutzsuchenden gewährleistet werden können. Das Hotspots-System funktioniert nicht und darf daher nicht fortgeführt werden – auch nicht in Form von „Ausschiffungs- oder Anlandungsplattformen“.

Zu unserer Pflicht gehört auch, dass wir die Staaten an den EU-Außengrenzen nicht mit der Verantwortung allein lassen. Die Regierungen der Länder mit Außengrenzen zum Mittelmeer, wie Italien und Malta, die meist Ziel der Überfahrten sind, reagieren mit der Schließung ihrer Häfen für aus Seenot gerettete Geflüchtete. Gleichzeitig versuchen sie die zivile Seenotrettung zu verhindern, indem sie Schiffen die Ausfahrt verwehren. Notwendig ist daher eine umgehende Verteilung aller Menschen, die Asyl beantragen wollen, auf die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union. Auf die Aufnahme und Verteilung müssen sich möglichst viele Mitgliedstaaten solidarisch verständigen. Um die Blockade der Reform des GEAS zu überwinden, müssen aufnahmebereite Staaten auf freiwilliger Basis vorangehen.

Sichere Fluchtwege schaffen und unbedingter Vorrang der Seenotrettung!

Das Mittelmeer ist bereits zu einem Massengrab für tausende Menschen geworden. Allein 2018 ertranken auf dem Mittelmeer laut UNHCR mehr als 2.275 Geflüchtete bei der Überfahrt nach Europa. Damit ist das Mittelmeer die tödlichste Grenze der Welt. Europa darf nicht länger zulassen, dass Menschen im Mittelmeer ertrinken und zivile Seenotrettungsschiffe tagelang im Mittelmeer auf die Einfahrt in einen Hafen warten. Doch auch für Menschen, die bei der Überfahrt gerettet werden, nimmt die Gefahr für Leib und Leben kein Ende. Seit dem Sommer 2018 spitzt sich die „Ausschiffungskrise“ im zentralen Mittelmeerraum weiter zu, besonders durch andauernden Widerstand Italiens und Maltas und anderer Staaten gegen die Rettung und Ausschiffung von Geretteten – sowohl durch NGOs, wie auch durch Handelsschiffe. Zur Verhinderung der Seenotrettung werden zudem Schiffe festgesetzt oder gar unter dubiosen Vorwänden beschlagnahmt.

Wir fordern

  1. Sichere Fluchtwege zu schaffen und eine menschenwürdige Aufnahme von Schutzsuchenden zu gewährleisten.
  2. Die Schaffung von Möglichkeiten, bereits im Ausland ein humanitäres Visum zu erhalten und somit legal nach Deutschland einreisen zu können.
  3. Jeden Menschen aus Seenot zu retten und gemäß internationalem Recht in Sicherheit zu bringen. Ein sicherer Hafen, wie ihn das Völkerrecht vorsieht, kann für im Mittelmeer Gerettete nur in der Europäischen Union liegen.
  4. Eine menschenrechtsorientierte staatliche Seenotrettung. Bis diese einsatzbereit ist, muss die zivile Seenotrettung die uneingeschränkte Möglichkeit zur unabhängigen Lagebeobachtung bekommen und in internationalen Gewässern ungehindert Menschenleben retten können. Wir lehnen den alleinigen Einsatz von der Grenzschutzagentur FRONTEX mit seiner fragwürdigen und zum Teil menschrechtswidrige Einsätze ab (siehe zuletzt die Berichterstattung dazu und die interne Berichte von FROTEX selbst).
  5. Die Garantie für zivile Seenotretter*innen uneingeschränkt Leben retten zu dürfen. Sie und ihre Arbeit dürfen nicht länger behindert und kriminalisiert werden. Die humanitäre Hilfe auf dem Mittelmeer muss innerhalb der Europäischen Union mit einer eigenen, unionsweit verbindlichen Rechtsgrundlage im Sinne der Erklärung der Vereinten Nationen zu den Menschenrechtsverteidiger*innen und Artikel 8, Abschnitt a) des Globalen Pakts für sichere, geordnete und reguläre Migration geschützt werden.
  6. Einen festen europäischen Mechanismus zur Aufnahme von Menschen, die aus Seenot gerettet wurden, um wochenlange Hängepartien zu verhindern. Aufnahmebereite Mitgliedstaaten müssen aus Seenot gerettete und in EU-Mittelmeeranrainerstaaten gestrandete Schutzsuchende solidarisch aufnehmen. Der Europäische Flüchtlingsrat ECRE hat dazu einen praktikablen Vorschlag ausgearbeitet, der im Rahmen des geltenden Europarechts sofort umgesetzt werden kann und muss.

Keine Deals mit undemokratischen Regierungen auf Kosten der Menschenrechte

Mit Abkommen, wie z.B. dem EU-Türkei-Deal, wird die Verantwortung Europas ausgelagert und die Abschottung Europas vorangetrieben. Menschen, die Europa dennoch erreichen, werden in die Türkei zurückgeführt oder mit Gewalt über die Landesgrenzen beispielsweise nach Serbien zurückgedrängt. Und selbst auf den griechischen Inseln ist die Lage in den Unterkünften katastrophal und der Zugang zu fairen Asylverfahren versperrt.

Die libysche Küstenwache wird von der EU und ihren Mitgliedstaaten immer noch unterstützt und mit aufgebaut. Seit Beginn der Einsätze in 2017 wurden etwa 29.000 Menschen von Libyens Küstenwache zurück nach Libyen gebracht. Dort kommen sie in eines von insgesamt 30 Internierungslagern, welche die Regierung betreibt. Aus diesen Lagern kommen immer wieder schreckliche Bilder und Beschreibungen größten Leids: Menschen müssen dort mit Gewalt, Vergewaltigung und Versklavung rechnen. Es gibt keinen Zugang zu sanitären Anlagen und keine medizinische Versorgung. So schreibt die Unterstützungsmission der Vereinten Nationen in Libyen (UNSMIL) in einem Bericht, dass Libyen für Geflüchtete ein Ort „unvorstellbaren Horrors“ sei. Viele der Lager befinden sich zudem in Gebieten, in denen es ständig Kämpfe zwischen libyschen Milizen gibt – viele Flüchtlinge sind so zusätzlich im libyschen Kreuzfeuer eingesperrt. Daher dürfen die katastrophalen humanitären Zustände in Libyen und anderen Staaten nicht länger ignoriert werden.

Wir fordern:

  1. Kooperationen der EU und deren Mitgliedstaaten mit Drittstaaten müssen stets nach der Maßgabe der Grund- und Menschenrechte erfolgen.
  2. Die Unterstützung der libyschen Küstenwache durch die EU muss sofort beendet werden. Sie ist beschämend für die Europäische Union und das europäische Projekt. Die völkerrechtswidrigen Rückführungen von Schutzsuchenden in das Bürgerkriegsland müssen sofort aufhören. Wer verhindern will, dass sich Schlepper an der Not von Geflüchteten bereichern, die angesichts von Verfolgung, Krieg und Gewalt ihr Leben bei der Flucht über das Mittelmeer aufs Spiel setzen, muss sichere und legale Fluchtalternativen schaffen.
  3. Massenlager in der EU und europäische Außenlager in Drittstaaten sowie Abschottungs-Abkommen, mit denen Menschen in Drittstaaten zurückgeschickt werden, die die Menschenrechte und internationales Recht mit Füßen treten, müssen sofort ein Ende haben.
  4. Schutzbedürftige Flüchtlinge aus Libyen sofort nach Europa zu evakuieren und humanitäre Korridore nach Europa zu öffnen. Die Evakuierungen müssen sich an den tatsächlichen Bedarfszahlen orientieren – eine Verbringung in Transitstaaten wie derzeit den Niger lehnen wir ab. Es ist an der Zeit und dringend geboten, dass Deutschland seine Bemühungen verstärkt, Menschen, deren Leben unmittelbar bedroht ist, direkt aus der Gefahrenzone zu retten. Damit wird verhindert, dass noch mehr Flüchtlinge aus Libyen versuchen aus Verzweiflung in einem überfüllten, kaum schwimmtauglichen Schlauchboot über das Mittelmeer nach Europa zu fliehen. Dabei darf Deutschland die Menschen nicht im Niger stranden lassen – einem Land, das selbst mit 300.000 aufgenommenen geflüchteten Menschen und schwelenden Konflikten an seine Kapazitätsgrenzen kommt.

Sicherer Hafen – zusätzliche kommunale Aufnahmeplätze schaffen und Landesaufnahmeprogramm auflegen

Wir begrüßen ausdrücklich die Initiative Seebrücke und solidarisieren uns mit allen Kommunen, die sich zu sicheren Häfen erklären. Wir unterstützen Kommunen, die sich freiwillig bereit erklärt haben, zusätzlich zur Verteilungsquote aus Seenot gerettete Schutzsuchende aufzunehmen, und ermutigen weitere Kommunen sich dieser Initiative anzuschließen.

Wir fordern:

  1. Das Resettlement-Programm des Bundes muss erweitert und die Anzahl der Aufnahmeplätze an den tatsächlichen Bedarf angepasst werden. Das Resettlement muss dabei ein Schutzinstrument bleiben und darf kein Ersatz für reguläre Asylverfahren, sondern soll eine Ergänzung zum Schutz besonders vulnerabler Schutzsuchender sein.
  2. Das Recht auf Asyl bzw. auf internationalen Schutz von Flüchtlingen, die über andere Wege als Resettlement in einen Mitgliedstaat der EU gelangen, darf durch den Neuansiedlungsrahmen nicht angetastet werden.
  3. Zusätzliche kommunale Aufnahmeplätze im UNHCR-Resettlementprogramm zu schaffen. Dies kann durch die Aufstockung der Länderkontingents (§ 23 I AufenthG) erfolgen und/oder durch die Einführung einer neuen Gesetzesgrundlage (§ 23 X AufenthG) speziell zur Aufnahme durch Kommunen und entsprechend der Regelung zur Landesaufnahme nach § 23 I AufenthG.
  4. Kommunen müssen die Möglichkeit bekommen sich dem Bundes-Resettlementprogramm nach § 23 IV AufenthG über zusätzliche Aufnahmeplätze anzuschließen.
  5. Die Staatsregierung auf, sich zum sicheren Hafen zu erklären und dem Bund zusätzlich zur Quote Plätze für aus Seenot Gerettete anzubieten.
  6. Die Staatsregierung auf, ein eigenes Landesprogramm aufzulegen. Darüber hinaus soll sie sie sich im Bundesrat dafür einsetzen, dass Aufnahmen neben der Bundesprogramme (beispielsweise über nationalstaatliche humanitäre Aufnahmeprogramme sowie über Aufnahmeprogramme der Bundesländer, die eine unkomplizierte und kurzfristige Aufnahme von größeren Kontingenten aus dem Ausland erlauben) auch ohne Zustimmung des Bundesinnenministeriums aufgelegt werden können.
  7. Kommunen müssen bei der Flüchtlingsaufnahme finanziell und personell unterstützt werden. Städte und Kommunen, die sich innerhalb des neuen Relocationprogramms freiwillig melden, um Schutzsuchende aufzunehmen, sollen die Kosten für die Integration aus einem gemeinsamen EU-Fonds (bspw. AMIF) erstattet bekommen. Denn die Kommunen sind ohnehin die Orte, an denen Inklusion, Teilhabe und Partizipation in erster Linie stattfinden und sie haben den besten Überblick darüber, was möglich ist.

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