Wohnen

10 Punkte für bezahlbaren Wohnraum

Beschluss auf der Landesdelegiertenkonferenz 2019 in Lindau

Der Schwerpunkt der Wohnraumförderung liegt dauerhaft auf dem Mietwohnungsbau. Dafür werden jährlich 1 Milliarde Euro an Investitions- und Fördervolumen bereitgestellt.

Die Bindungsdauer für Sozialwohnungen wird verbindlich auf 40 Jahre festgelegt.

Erwerb von Belegungsrechten im Wohnungsbestand ermöglichen.

Verbilligte Abgabe von Landesgrundstücken für den sozialen Wohnungsbau.

Ein Flächen- bzw. Baulückenkataster für staatliche und kommunale Liegenschaften wird im kommenden Jahr eingeführt.

Gemeinschaftliches Wohnen im Rahmen der Wohnraumförderung wird gestärkt, indem die Gründung von Wohnungsgenossenschaften oder Baugruppen durch zinslose Darlehen oder Zuschüsse für die Eigenkapitaleinlage sowie der Erwerb von Genossenschaftsanteilen gefördert wird.

Das Bayerische Baukindergeld Plus und die Eigenheimzulage werden gestrichen und die Gelder stattdessen im Rahmen der Wohnraumförderung bereitgestellt.

Eine amtliche Wohnungslosenstatistik sowie der Ausbau der präventiven Fachstellen zur Vermeidung von Obdachlosigkeit und weiterer Beratungsangebote werden im kommenden Jahr eingeführt.

Beratungsangebote für gemeinschaftliche Wohnprojekte wie Alten-WG, Mehrgenerationenhaus oder Wohnen für Hilfe werden ausgeweitet.

Leitlinien für sozialgerechte Bodennutzung erlassen.

 

Diese 10 Punkte für bezahlbaren Wohnraum sind Teil eines Beschlusses, den die bayerischen Grünen am 19. Oktober 2019 auf ihrer Landesdelegiertenkonferenz (LDK) in Lindau gefasst haben. Im Folgenden findest du den vollständigen Text des Beschlusses.

 


Bezahlbar Wohnen für alle – Sozialen Wohnungsbau stärken

„Jeder Bewohner [und jede Bewohnerin] Bayerns hat Anspruch auf eine angemessene Wohnung. Die Förderung des Baues billiger Volkswohnungen ist Aufgabe des Staates und der Gemeinden.“

Diesem in Art. 106 der Bayerischen Verfassung formulierten Grundsatz fühlen wir Grüne uns verpflichtet.

Wir begreifen Wohnen als eine der drängendsten Gerechtigkeitsfragen unserer Zeit, auf die wir sozial und ökologisch adäquate Antworten geben müssen. Gerade weil das Dach über dem Kopf ein knappes und wertvolles Gut ist, darf es nicht allein den Kräften des Marktes überlassen werden. Die Ursachen für die Wohnungskrise sind vielschichtig und müssen durch zielgerichtete Maßnahmen bekämpft werden. Bund, Länder und Kommunen brauchen einen umfassenden Werkzeugkasten voller wohnungspolitischer Instrumente, um den sozialen Zusammenhalt und bezahlbares Wohnen zu ermöglichen.

Das Recht auf Wohnen muss in den Städten und im ländlichen Raum wieder garantiert werden. Ob in der Stadt oder auf dem Land – Menschen sollen da leben können, wo sie wollen. Dafür setzen wir auf bedarfsgerechten, barrierefreien und nachhaltigen Neubau und Bestandsmodernisierung. Wir wollen eine nachhaltige, gemeinwohlorientierte Bodenpolitik und eine Stärkung der gemeinwohlorientierten Wohnungsbauakteure. Elementar sind für uns Grüne echter Mieter*innenschutz und eine wirksame Mietenbegrenzung.

Einen wichtigen wohnungspolitischen Rahmen geben bundesrechtliche Regelungen. Bündnis 90/Die Grünen fordern hier eine stärkere Orientierung an dem Ziel, dass jeder Mensch Anspruch auf eine angemessene Wohnung hat. So sollten die Mittel für das Baukindergeld gestrichen und den Ländern für die Wohnraumförderung zu Gute kommen. Wir wollen die steuerlichen Abschreibungsmöglichkeiten beim Mietwohnungsbau auf angespannten Wohnungsmärkten verbessern. Nicht zuletzt wollen wir Spekulationen mit Grund und Boden im Rahmen der Grund- und Grunderwerbssteuer entgegenwirken.

Auch die Einrichtung revolvierender Bodenfonds und insgesamt ein verstärkter Erwerb von Baugrund durch Bund, Land und Kommunen kann den Anstieg der Bodenpreise dämpfen. Wir Grüne fordern auch eine Stärkung und Ausweitung des Vorkaufsrechts für Kommunen. Mit einer Quote von 30 bis 50 Prozent für Sozialen Wohnungsbau bei jedem Neubau oder Bau im unbeplanten Innenbereich können Kommunen für mehr bedarfsgerechten Wohnraum sorgen. Im Steuerrecht wollen wir Steuerhindernisse bei der Vermietung von Werkswohnungen abzubauen sowie faire Vermieter*innen steuerlich begünstigen und nicht wie bisher bestrafen.

Im Mietrecht brauchen wir eine Reform der Modernisierungsmieterhöhung, um sozialverträgliche energetische Modernisierungen zu ermöglichen und Verdrängung durch Luxussanierungen zu beenden. Den Mietenanstieg auf angespannten Wohnungsmärkten wollen wir im Rahmen der Kappungsgrenzenverordnung weiter einschränken. Außerdem wollen wir Mietwucher bekämpfen, indem wir § 5 des Wirtschaftsstrafgesetzes – Mietwucher – wieder zu einem praxistauglichen Instrument gegen Mietpreisüberhöhung machen. Zudem wollen wir die Mietpreisbremse verlängern und verschärfen sowie den Mietspiegel mieter*innenfreundlicher ausgestalten, indem bei der Berechnung auch ältere Mietverträge als sechs Jahre sowie öffentlich geförderte Wohnungen berücksichtigen.

Auch die bayerische Wohnungspolitik schöpft die landespolitischen Möglichkeiten nicht ansatzweise aus.

Während in Ballungsräumen Wohnungen fehlen und der Kampf um bezahlbaren Wohnraum auf dem Rücken der Schwächsten ausgetragen wird, werden in ländlichen Regionen weit mehr Wohnhäuser – vor allem Einfamilienhäuser und große Wohnungen – gebaut als nötig. Ist der Baubedarf in München gerade mal zu 67 % gedeckt, ist er beispielsweise im Landkreis Hof zu 357 % laut einer Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft übererfüllt. Diese Entwicklung befeuert gerade in Regionen mit sinkender Bevölkerungszahl die Zersiedlung und Verödung der Ortskerne. Folgen sind neue Leerstände und der damit einhergehende Verfall der Immobilien(preise).

Seit der Föderalismusreform 2006 tragen die Bundesländer die Verantwortung für die soziale Wohnraumförderung. Doch auf die Staatsregierung können die Mieter*innen schon lange nicht mehr hoffen. Die Landesmittel für die soziale Wohnraumförderung stagnieren seit Jahren auf niedrigem Niveau. Wurden Mitte der 1990er noch jährlich 348 Mio. € für die Wohnraumförderung bereitgestellt, waren die Mittel 2017 sogar auf 87 Mio. € gekürzt worden – der niedrigste Stand an Wohnraumförderung denn je. Mit momentan 365 Mio. € aus dem Staatshaushalt ist die Wohnraumförderung weiterhin unterfinanziert.

Befeuert wird die Situation durch die Folgen der geringen Tätigkeit im sozialen Wohnungsbau. Denn während das Mietniveau in vielen bayerischen Städten unaufhaltsam steigt, ist der Bestand an Sozialwohnungen erheblich geschmolzen. Gab es im Jahr 1988 noch 495.240 Sozialwohnungen im Freistaat, ist ihr Bestand bis 2016 auf 138.000 gesunken. Auch wenn die Zugänge bei den gebundenen Mietwohnungen 2018 mit 5.260 erstmals größer als die der Abgänge mit 3.975 sind, hinkt der Freistaat den Zielen weiterhin hinterher. Bis Ende 2019 sollten im Rahmen des Wohnungspakts Bayern 28.000 neue staatlich finanzierte oder geförderte Mietwohnungen entstehen. Das entspricht jährlich 7.000 Mietwohnungen. Weder 2016, 2017 noch 2018 konnte diese Zielmarke erreicht werden. Gleichzeitig zielen die Instrumente des öffentlich geförderten Wohnungsbaus zu sehr auf Wirtschafts-förderung mit „sozialer Zwischennutzung“ ab. Nach Ablauf und Tilgung der öffentlichen Darlehen verwandeln sich Sozial- in ganz normale Mietwohnungen. Deshalb fallen jährlich mehr dieser Wohnungen aus der Bindung als neue hinzukommen.

Zudem legt die Staatsregierung den Fokus bei der Wohnraumförderung mit dem Baukindergeld Plus sowie der Eigenheimzulage immer noch zu sehr auf den Eigentumserwerb und das geht am Bedarf vorbei. Beide Fördermaßnahmen sollen Familien helfen, Wohneigentum zu finanzieren. Gleichzeitig soll mit der Förderung fehlender Wohnraum entstehen. Doch erste Zahlen belegen, dass dadurch kaum Neubauten entstehen. Schaut man sich die regionale Verteilung an, bestätigt sich zudem, dass die Förderung vor allem im ländlichen Raum lukrativ ist. In Städten, wo die Immobilienpreise hoch sind, werden verhältnismäßig weniger Anträge gestellt.

Mit der Privatisierung der staatlichen Wohnungsbaugesellschaft GBW hat die Staatsregierung einen starken und verlässlichen Partner beim sozialen Wohnungsbau und damit 33.000 günstige Wohnungen unnötigerweise aus der Hand gegeben. Die Gründung der BayernHeim kann diesen Verlust nicht kompensieren. Im Gegenteil, denn das Söder-Prestigeprojekt bringt den sozialen Wohnungsbau im Freistaat keinen Millimeter voran. Stattdessen schränkt es den finanziellen Spielraum anderer Wohnungsunternehmen erheblich ein. Ohne eigene, zusätzliche Finanzmittel für den sozialen Wohnungsbau speist sich die BayernHeim aus Mitteln der regulären Wohnraumförderung. De facto werden dadurch die Fördergelder für dringend benötigte Bauprojekte anderer Wohnungsunternehmen, vor allem der Genossenschaften und kommunalen Unternehmen, gekürzt.

Einen schlanken Fuß macht sich die Staatsregierung auch, wenn es um die Interessen der bayerischen Mieterinnen und Mieter geht. Die Mietpreisbremse wurde auf Bundesebene von der CSU verzögert und dann handwerklich auf Landesebene so schlecht umgesetzt, dass sie vor Gericht scheiterte und keine Wirkung entfalten konnte. Und jetzt wundern sich Söder & Co. über immer radikalere Forderungen, wie bezahlbares Wohnen für Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen garantiert werden kann.

Deshalb stellen die Grünen Bayern diesen 10-Punkte-Katalog an Forderungen an die Staatsregierung:

  • Der Schwerpunkt der Wohnraumförderung liegt dauerhaft auf dem Mietwohnungsbau. Dafür werden jährlich 1 Milliarde Euro an Investitions- und Fördervolumen bereitgestellt.
  • Die Bindungsdauer für Sozialwohnungen wird verbindlich auf 40 Jahre festgelegt.
  • Erwerb von Belegungsrechten im Wohnungsbestand ermöglichen.
  • Verbilligte Abgabe von Landesgrundstücken für den sozialen Wohnungsbau.
  • Ein Flächen- bzw. Baulückenkataster für staatliche und kommunale Liegenschaften wird im kommenden Jahr eingeführt.
  • Gemeinschaftliches Wohnen im Rahmen der Wohnraumförderung wird gestärkt, indem die Gründung von Wohnungsgenossenschaften oder Baugruppen durch zinslose Darlehen oder Zuschüsse für die Eigenkapitaleinlage sowie der Erwerb von Genossenschaftsanteilen gefördert wird.
  • Das Bayerische Baukindergeld Plus und die Eigenheimzulage werden gestrichen und die Gelder stattdessen im Rahmen der Wohnraumförderung bereitgestellt.
  • Eine amtliche Wohnungslosenstatistik sowie der Ausbau der präventiven Fachstellen zur Vermeidung von Obdachlosigkeit und weiterer Beratungsangebote werden im kommenden Jahr eingeführt.
  • Beratungsangebote für gemeinschaftliche Wohnprojekte wie Alten-WG, Mehrgenerationenhaus oder Wohnen für Hilfe werden ausgeweitet.
  • Leitlinien für sozialgerechte Bodennutzung erlassen.

 

Hier findest du den Beschluss als PDF.

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