Schon lange vor Putins Krieg gegen die Ukraine haben Politiker*innen aus CDU und CSU immer wieder gefordert, die Laufzeit der deutschen Atomkraftwerke zu verlängern. Sie setzen lieber auf die gewaltigen Risiken der Atomkraft anstatt auf den unerschöpflichen, unschlagbar günstigen Strom aus Sonne und Wind – das verstehe, wer mag. Doch auch die aktuelle Krise ändert nichts an der Kosten-Nutzen-Bilanz: Die Atomkraft gehört abgeschafft. Warum, das erklärt unser bayerischer Parteivorsitzender Thomas von Sarnowski.
Manche Sachen kann man sich nicht ausdenken. Am einen Tag fordern Bayerns Ministerpräsident Söder und Energieminister Aiwanger eine AKW-Laufzeitverlängerung um drei bis fünf Jahre, am nächsten Morgen hören wir die Nachrichten vom russischen Artilleriebeschuss auf Europas größtes Atomkraftwerk Saporischschja in der Ukraine. Bei diesem konkreten Angriff scheint die Welt Glück gehabt zu haben – es ist keine Radioaktivität ausgetreten. Uns bleibt nur zu hoffen, dass die vier ukrainischen Atomkraftwerke und die Atomruine in Tschernobyl auch weiterhin unbeschadet bleiben in diesem brutalen Krieg.
Die Diskussion um eine Laufzeitverlängerung hierzulande ist eine Phantomdebatte. Die drei verbliebenen deutschen AKWs liefern nur ein Prozent unserer Energie und fünf Prozent des Stroms. Eine Menge so vernachlässigbar wie ersetzbar. Das letzte bayerische Atomkraftwerk ist Isar 2 bei Landshut. Es wird am 31. Dezember 2022 abgeschaltet – und das ist auch gut so, denn es pfeift aus dem letzten Loch. Erst im Januar musste das Kraftwerk abgeschaltet werden. Grund war ein Leck im nicht-nuklearen Bereich. Nachdem der endgültige Atomausstieg bereits vor über zehn Jahren beschlossen wurde, sind die Betreiber verständlicherweise nicht darauf vorbereitet, das Kraftwerk noch über einen längeren Zeitraum instand zu halten. Sie stünden also vor hohen Investitionen.
Nein zu Putins Spiel mit der Angst
Anstatt Putins Spiel mit der Angst vor dem Energiemangel mitzuspielen, erwarte ich mir von den Angehörigen der Staatsregierung, dass sie sich schlau machen, bevor sie unüberlegte Forderungen raushauen. Wenn wir die Leistung unserer Atomkraftwerke jetzt drosseln würden, könnten wir die Laufzeiten um einige wenige Monate verlängern. Danach aber braucht es neue Brennstäbe und die gibt es nicht im Baumarkt von der Stange. Auch Uran ist ein endlicher Rohstoff. Einer der wichtigsten Lieferanten ist ausgerechnet Russland. Brennstäbe sind außerdem Maßanfertigungen. Bis sie fertig wären, stünden die deutschen AKWs etwa eineinhalb Jahre still. Bis dahin wird aber noch mehr Personal im Ruhestand sein. Neues Personal auszubilden dauert etwa drei bis vier Jahre. Ingenieur*innen brauchen nämlich eine spezifische Ausbildung und Zulassung für genau das AKW, in dem sie arbeiten wollen.
Fazit: Ja, theoretisch könnten wir unsere Atomkraftwerke etwas länger betreiben – aber es wäre mit Blick auf Sicherheit, Personal und Brennstäbe extrem aufwändig, ohne Puffer und in jedem Fall sehr teuer. Und was würden wir dabei gewinnen? Ein winziges bisschen zusätzlichen Strom, den wir mit neuen Solaranlagen und Windrädern viel einfacher, günstiger und sicherer erzeugen könnten.
Alle Energie in 100 % Erneuerbar
Wir sollten also unsere Energie nicht mit dieser Scheindebatte verschwenden. Viel wichtiger ist es in der jetzigen Lage, dass wir uns möglichst schnell von russischem Gas unabhängig machen, das bisher die Hälfte unseres Verbrauchs deckt. Gas wird in Deutschland zu fast 90 Prozent zum Heizen unserer Wohnungen und für unsere Industrie eingesetzt. Dieses Gas lässt sich nicht durch Strom aus AKWs ersetzen. Wir müssen also unser Gas künftig unbedingt von unterschiedlichen Lieferanten beziehen und vor allem die Wärmewende zügig vorantreiben: Jede neue Wärmepumpe ist ein Gewinn fürs Klima und macht uns unabhängiger von Gasimporten. Außerdem können wir die heimische Biogas-Produktion von 10 auf 20 Prozent des Gasverbrauchs verdoppeln, indem wir Gülle, Abfälle und Grünschnitt besser nutzen. Und dieses Biogas lässt sich viel effizienter nutzen als heute: Statt konstant Strom zu liefern, flexibilisieren wir die Anlagen und federn so Spitzenlasten ab.
Lasst uns also einen klaren Kurs in Richtung Zukunft nehmen, das heißt: 100 Prozent Erneuerbare Energien – und das so schnell wie möglich!
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