Beschluss auf der Landesausschuss-Sitzung am 14.12.2019
Ob Vater-Mutter-Kind-Familien, Alleinerziehende, Patchwork- oder Regenbogenfamilien, Adoptiv- oder Pflegefamilien: Wir GRÜNE schaffen die Voraussetzungen, um alle Familien stark zu machen – von der Geburt bis zum Lebensabend. Wir wollen Familien mit geringem Einkommen besser unterstützen. Wir fordern deshalb eine Kindergrundsicherung, die den tatsächlichen Bedarf jedes Kindes abdeckt und das Nebeneinander vieler familienpolitischer Maßnahmen beendet. Daher fordern wir die Bayerische Staatsregierung dazu auf, eine Bundesratsinitiative Kindergrundsicherung zu starten.
Kinderarmut anhaltend hoch
Seit Jahren verharrt die Armut von Kindern in Deutschland auf hohem Niveau. Ein Fünftel der Kinder ist arm und in seinen Teilhabechancen eingeschränkt. Das sind rund zwei Millionen Kinder, für die viele normale Dinge aus dem Alltag anderer Kinder kaum noch erschwinglich sind. Können die Klamotten noch aus dem Second-Hand-Laden sein, wird es bei Kino, Schwimmbad oder gar einem Restaurantbesuch schon eng. Es ist keine Selbstverständlichkeit für diese Kinder, den Sportverein oder Musikunterricht besuchen zu können.
Besonders drastisch ist die Lage von Alleinerziehenden und deren Kindern – hier liegt die Armutsquote bei über einem Drittel. Viele von ihnen arbeiten, jonglieren sich die Vereinbarkeit irgendwie zurecht und müssen gleichzeitig mitansehen, wie knapp es am Monatsende wieder mit der Haushaltskasse geworden ist. Und dann gibt es auch noch viele Familien, die aus Überlastung, aus Unwissenheit oder auch aus Stolz manche ihnen zustehende Leistungen gar nicht in Anspruch nehmen. Diese verdeckte Armut wollen wir mit unserer Kindergrundsicherung eindämmen.
Fördersysteme brauchen ein Update
Eine Reihe kleinteiliger Verbesserungen des Transfer- und Fördersystems führten in den letzten, Jahren zu keiner Trendwende. Hier eine Antragserleichterung beim Teilhabepaket, dort an den Stellschrauben vom Kinderzuschlag gedreht: Die Große Koalition hat auch nach Jahren nicht die entscheidende Trendwende bei der Kinderarmut hinbekommen. Diese ‚gezielten‘ Leistungen erreichen nicht genügend Kinder zielgenau. Zudem decken sie nicht die Bedarfe, die fair und gut für die Kinder wären.
Gleichzeitig leistet sich die Bundesregierung andere, teure Maßnahmen wie das Baukindergeld oder Freibetragserhöhungen, die aber von vornherein faktisch keinen Beitrag zur Armutsbekämpfung leisten. Im Gegenteil, hier werden vielfach Familien entlastet, die in Bezug auf ihre Kinder vom geltenden Steuersystem ohnehin schon besser gestellt werden als kleine und mittlere Einkommen.
Gleiche Startchancen für alle Kinder ermöglichen
Abertausende von Kindern drohen dauerhaft abgehängt zu werden, weil sie unzureichende Startchancen haben. Weil Zugang zu Kultur eben auch Geld kostet, weil das Wohnumfeld entwicklungsbelastend sein kann oder einfach weil man bei normalen Unternehmungen anderer Kinder nicht dabei sein kann. Diese und ähnliche Faktoren prägen die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen.
Dieser Mangel an Fairness ist den Kindern gegenüber nicht in Ordnung. Und es ist für die Gesellschaft als Ganze eine schwere Bürde. Die Bundesregierung hat es jahrelang versäumt, einen großen Reformschritt bei der Förderung von Kindern zu machen. Eine Politik der kleinen Schritte kann erfolgreich sein. Wir haben aber gelernt, dass sie zur Bekämpfung von Kinderarmut nur wenig taugt: zum einen sind die Fallstricke der Fördersysteme zu vielfältig, zum anderen wählte die Bundesregierung stets vergleichsweise kostengünstige Reformvarianten. Wir hingegen sind fest überzeugt, dass an den Kindern sparen heißt, definitiv an der falschen Stelle zu sparen. Mit der Einführung einer grünen, eigenständigen Kindergrundsicherung wollen wir eine Verschiebung der Prioritäten zu mehr Gerechtigkeit und mehr Zukunftschancen für Kinder. Es braucht großen Einsatz, um den gordischen Knoten Kinderarmut endlich zu durchschlagen.
Kindergrundsicherung: verlässlich und bedarfsgerecht
Wir wollen eine Kindergrundsicherung, die Familien das Leben leichter macht und allen Kindern das garantiert, was sie zum Leben brauchen. Sie soll automatisch und ohne kompliziertes Antragsverfahren ausgezahlt werden. Die grüne Kindergrundsicherung besteht aus einem Garantie-Betrag für jedes Kind in Höhe von 280 Euro und einem ergänzenden und variablen GarantiePlus-Betrag für Bedürftige oder nur über geringes Einkommen verfügende Familien. Der GarantiePlus-Betrag geht mit einer Neubestimmung der Kinderregelsätze einher und soll – nach Altersstufen gestaffelt – bis zu 223 Euro betragen. Zusammengenommen ergibt das eine auskömmliche Kindergrundsicherungsleistung von bis zu 503 Euro pro Kind und Monat. Bislang wird der Kinderregelsatz schlicht von – kleingerechneten – Erwachsenenbedarfen abgeleitet. Maßstab ist dabei das Einkommensende.
Wir wollen das ändern und uns dazu stärker an den Bedarfen ‚durchschnittlicher‘ Familien orientieren. Das bildet realitätsgerechter ab, was Kinder für ein gutes Aufwachsen in unserem Land brauchen. Außerdem soll für jedes Kind ein eigenständiger Anspruch auf diese Leistung bestehen, der nicht durch ‚Verrechnungen‘ mit der Grundsicherung geschmälert wird. Der GarantiePlus-Betrag schmilzt langsam ab, sodass sich (mehr) Arbeit für die Eltern rechnet. Denn natürlich gilt weiterhin, dass gute Erwerbstätigkeit Armut verhindert und vor Ausgrenzung schützt.
Bündelung von Leistungen
Kinder, die den GarantiePlus-Betrag bekommen, sollen zudem spezifische Mehrbedarfe gewährt bekommen wie zum Beispiel ein Schulstarterpaket oder Kosten von Klassenreisen und -ausflügen. Insgesamt gehen in der Kindergrundsicherung das Sozialgeld für Kinder (im sog. Hartz IV), der Kinderzuschlag, Teile des Bildungs- und Teilhabepakets, das Kindergeld und die Kinderfreibeträge auf. Hohe Wohnkosten werden durch einen Zuschlag oder den Bezug von Wohngeld abgefedert. Das Ganze ist mit einem einmaligen, gradlinigen Leistungszugang für jede Familie verknüpft, um verdeckte Armut vollständig zu eliminieren: Zur Geburt des Kindes wird die Kindergrundsicherung einmalig beantragt. Dabei können die Eltern einwilligen, dass für sie automatisch geprüft wird, ob und in welcher Höhe ihnen neben dem Garantie-Betrag, der GarantiePlus-Betrag der Kindergrundsicherung zusteht.
Der Kosten dieser Kindergrundsicherung sind mit jährlich zusätzlich 10 Milliarden Euro erheblich. Wir sind aber bereit, diese Herausforderung zu stemmen. Wir wollen im Kern die heutige Familienförderung vom Kopf auf die Füße stellen. Wir wollen und können so endlich Kinderarmut wirksam verhindern und gleichzeitig alle Familien fair unterstützen. Den Willen dazu haben die letzten Koalitionen im Bund nicht aufgebracht; gleichwohl haben sie in vergleichbarem Milliardenumfang Mittel für die sog. Mütterrente oder das Baukindergeld bereitgestellt.
Bundesratsinitiative Kindergrundsicherung auf den Weg bringen
Wir fordern die Bayerische Staatsregierung auf, eine Bundesratsinitiative Kindergrundsicherung mit den oben skizzierten Eckpunkten auf den Weg zu bringen. Verschiedene Bundesländer hatten schon sehr reserviert auf das sogenannte Familienstärkungsgesetz der Bundesregierung reagiert und ihrerseits für eine Kindergrundsicherung plädiert. Bayern sollte sich ihnen anschließen um endlich einen Durchbruch beim Kampf gegen Kinderarmut und für eine faire Familienförderung zu schaffen. Damit jedes Kind in Deutschland gerecht teilhaben kann, unabhängig von den individuellen Startchancen und Möglichkeiten.
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