Beschluss der Landesdelegiertenkonferenz am 24.09.2022
In ländlichen Regionen, aber auch im urbanen Raum ist die Gesundheitsversorgung zunehmen lückenhaft. Angesicht des demografischen Wandels und eine damit verbundene alternde Gesellschaft benötigen wir kreative Antworten auf diese drängende Herausforderung. Die Zunahme von Multimorbidität und Pflegebedürftigkeit erfordert neue, andere Versorgungkonzepte.
Ein Blick in andere Länder ist hilfreich. Was in Deutschland noch wenig vorstellbar ist, hat in anderen Ländern bereits Einzug gehalten: Community Health Nursing (CHN). Eigens dafür qualifizierte Pflegefachpersonen wirken in der primären Gesundheitsversorgung mit. Häufig sind Community Health Nurses in kommunalen Gesundheitszentren z.B. in Kanada, Finnland oder Slowenien angesiedelt. Die Bürger*innen finden so vor Ort in der Kommune Ansprechpartner*innen für alle gesundheitlichen Fragen. Das Besondere ist: Ein multiprofessionelles Team bietet aufeinander abgestimmte Angebote an.
Die Agnes-Karll-Gesellschaft hat mit der Förderung der Otto und Edith Mühlschlegel Stiftung in der Robert-Bosch-Stiftung eine Machbarkeitsstudie zu „Community Health Nursing“ in Deutschland durchgeführt. Zahlreiche Tagungen zum Thema haben bestätigt, dass Community Health Nursing ein gangbarer Weg für Deutschland ist.
Die Anforderungen an eine zukunftsfähige Gesundheitsversorgung sind seit vielen Jahren in ihrer Komplexität gewachsen. Viele chronisch kranke Menschen, alte Menschen mit demenziellen Erkrankungen, Menschen mit Behinderungen haben sehr individuelle und komplexe Bedarfe. Häufig sind die Familiensysteme überfordert oder gar nicht existent.
Den betroffenen Menschen machen nicht die Krankheit oder die Pflegebedürftigkeit primär zu schaffen, sondern die Auswirkungen, die diese veränderten Situationen auf das Leben der Betroffenen und ihren Familien haben. Deshalb braucht es mehr als ärztliche Versorgung oder den ambulanten Pflegedienst für die Bewältigung des neuen Alltags mit allen Herausforderungen, die Krankheit und Pflegebedürftigkeit mit sich bringen.
Der Ansatz: Mehrere kleinere Kommunen sollten zu Interkommunalen Zusammenschlüssen ermuntert werden und könnten so in Sozialräumen zusammengefasst werden. Die politisch Verantwortlichen in den Kommunen (Bürgermeister*innen, Landrät*innen) und die Akteure im Sozialraum müssen zwingend zusammen arbeiten, um passgenaue Konzepte zu erarbeiten und zu realisieren.
Neue technologische Möglichkeiten stehen heute zur Verfügung, Stichwort Digitalisierung, die Arbeitsprozesse auch im Gesundheits- und Pflegesektor verändern. Eine verbesserte Kommunikation zwischen den Akteur*innen im Sozialraum kann Potentiale eröffnen und Versorgungsergebnisse sichtbar machen.
Mit der Zunahme der chronischen Erkrankungen und der alternden Gesellschaft wird sich die Gesundheitsversorgung deutlich in die ambulante Richtung verschieben müssen.
Der Mangel an Hausärzt*innen im ländlichen Bereich, aber auch abnehmende Gesundheitsversorgung in sog. benachteiligten Stadtgebieten machen neue Strukturen nötig.
2014 hat der Sachverständigenrat der Bundesregierung in seinem Bericht bereits „Lokale Gesundheitszentren zur Primär- und Langzeitversorgung“ vorgeschlagen.
Die Robert-Bosch-Stiftung ist überzeugt, dass die Community Health Nurses einen wichtigen Beitrag zur besseren und bedarfsgerechten Gesundheitsversorgung leisten können. Ganz besonders in unterversorgten und benachteiligten Gebieten, von denen es in Bayern sehr viele gibt, nicht nur auf dem Land, sondern auch in benachteiligten Stadtgebieten. Community Health Nurses können laut Robert-Bosch-Stiftung als konstitutiver Teil multiprofessioneller Teams in Gesundheitszentren die Koordination und Kontinuität der gesundheitlichen und pflegerischen Patientenversorgung verbessern.
Um diesen Aufgaben gerecht zu werden, brauchen wir eine entsprechende Qualifizierung auf universitärer Ebene.
Besonderes Augenmerk sollten die Community Health Nurses auf vulnerable Familien mit Problemen bei Suchterkrankung, Behinderung, Demenz, psychiatrischen Erkrankungen, chronischen Krankheitsbildern, Pflegebedürftigkeit usw. richten.
Wir, die bayerischen GRÜNEN möchten, dass alle Menschen, egal ob im ländlichen Raum oder in der Großstadt, eine gute Gesundheitsversorgung haben. Daher fördern wir die interkommunale Zusammenarbeit beim Aufbau sozialräumlicher Versorgungsstrukturen nach dem Modell der Community Health Nurses und den Aufbau passgenauer Ausbildungen und Studiengänge.
Alle Menschen in Bayern, egal ob im ländlichen Raum oder in der Großstadt sollten eine gute gesundheitliche und pflegerische Versorgung haben. Der demografische Wandel und zunehmende Komplexität der Versorgungsstrukturen, aber auch der Versorgungsbedarfe erfordern neue kreative Wege. Passgenaue, bedarfsgerechte und bedürfnisorientierte Angebote im Sozialraum, die von allen Akteur*innen und den politisch Verantwortlichen in den Kommunen unterstützt werden sind der Weg der Zukunft. Community Health Care kann so sowohl in Kommunen im ländlichen Raum, als auch im urbanen Raum die Lösung sein.
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