Pflege und Gesundheit

Steigerung der akademisierten Pflege in Bayern

Beschluss auf der Landesausschuss-Sitzung am 15.02.2020

Die drei großen gesellschaftlichen Fragen unserer Zeit sind: wie werden wir in Zukunft arbeiten, wo werden wir in Zukunft wohnen und wer wird uns in Zukunft wie pflegen?

Wir alle wollen in Krankheit, Alter und Beeinträchtigung bestens gepflegt werden und wünschen uns das auch für unsere An- und Zugehörigen. Qualitativ hochwertige professionelle Pflege richtet sich heute nach neuesten pflegewissenschaftlichen Erkenntnissen, hat den Erhalt und die Wiedererlangung der Selbstpflegekompetenzen zum Ziel und geht individuell auf die Bedürfnisse von Multimorbidität und Menschen mit mehrfachen Einschränkungen ein: professionelle Pflege steht also in den Diensten unserer Selbstbestimmtheit. Mit unseren individuellen Ansprüchen und dem medizinisch Machbaren wachsen auch die Herausforderungen an moderne und evidenzbasierte Pflege: das Beste für die Patient*innen, Bewohner*innen und Klient*innen.

Dabei steuern wir längst nicht mehr auf einen Pflegemangel zu, wir befinden uns bereits mitten in einem Pflegenotstand. Die Berufsbilder in der professionellen Pflege sind unattraktiv (besonders für Menschen mit höherer Bildung), die Arbeitsbedingungen mehr als verbesserungswürdig und zudem ist die Bezahlung schlecht.

Daher muss professionelle Pflege auch in Bayern zusätzlich zu den bestehenden dreijährigen Ausbildungssystem attraktiver werden und sich als eigenständige Profession behaupten. Mehr berufliche Perspektiven steigern die Attraktivität der professionellen Pflege und holen sie aus dem Assistenz-Image der Ärzteschaft heraus. Professionelle Pflege nach neuesten pflegewissenschaftlichen Erkenntnissen ist essenziell für unser spezialisiertes Gesundheitssystem. Neben der Verbesserung und Aufwertung der 2- und 3-jährigen Fachausbildung ist das Etablieren eines Hochschulstudiums unerlässlich.

Die „Konzertierte Aktion Pflege“ hat daher eine Steigerung der Akademisierungsquote in der professionellen Pflege auf 10% beschlossen. Der momentane Akademisierungsgrad liegt bei 0,5%. Damit gehören wir auch in Bayern zu den Schlusslichtern im gesamten europäischen Vergleich.

Studienergebnisse belegen den Zusammenhang von Qualifikation und Pflegequalität, der Wissenschaftsrat empfiehlt sogar einen Akademisierungsgrad von bis zu 20% in der Patientenversorgung, nicht in der Verwaltung. Dies wäre ein erster Schritt in die Richtung einer weltweiten Vergleichbarkeit hinsichtlich des Stellungswertes der professionellen Pflege und der Qualität der Ausbildung.

Bei der Steigerung der Attraktivität durch eine Erhöhung der Akademisierungsquote, wollen wir vor allem die Menschen mitnehmen, die in den Berufsbildern der professionellen Pflege ganz überwiegend arbeiten. Vor allem die Frauen in der Pflege müssen an den angestrebten Verbesserungen partizipieren und zu den Nutznießerinnen der Neuregelungen gehören. Ihre Belange müssen wir durch gezielte Förderung in den Fokus nehmen, um den Bereich der „Besserverdienenden“ nicht wie so oft zur Männerdomäne zu machen.

Zur Verbesserung der Qualität der Pflege, zur Steigerung der Attraktivität der Pflegeberufe für alle professionell Pflegenden und für die Konkurrenzfähigkeit der Pflege in Bayern im europäischen Vergleich fordern wir deshalb:

  1. Drei universitäre Fakultäten für Pflegewissenschaften in Bayern, deren Standorte möglichst breit über den Freistaat verteilt sind, um vielen Studierenden den Zugang zu ermöglichen.
  2. Eine auskömmliche finanzielle Unterfütterung der Universitätskliniken, um den Studierenden der Pflegewissenschaften ebenso herausragende Ausbildungsbedingungen zu bieten, wie unseren angehenden Ärzt*innen.
  3. Drei universitäre Fakultäten mit angeschlossenen Praxisbereichen (Universitätskliniken) für Pflegepädagogik, um den Ausbildungsstandard in allen Berufsbildern der professionellen Pflege zu erhöhen oder gleichbleibend qualitativ hochwertig zu erhalten.
  4. Ein Sofortprogramm zur Schaffung von 1.000 Studienplätzen für die Bereiche Pflegewissenschaft und Pflegepädagogik.
  5. Ein Förderprogramm für Pflegewissenschaft an allen Bayerischen Fakultäten für Pflegestudiengänge aller Ausrichtungen
  6. Alle Lehrkrankenhäuser der Medizin in Bayern sollen verpflichtend mit Stabsstellen der angewandten Pflegewissenschaft ausgestattet werden. Auch dies dient der Qualität der Ausbildung und stärkt die Profession Pflege auf allen Ebenen und in allen Berufsbildern.
  7. Zur besseren Vernetzung aller professionell Pflegenden in Bayern fordern wir ein Austauschprogramm für Studierende der Pflegewissenschaften mit den Fakultäten der Universitäten im Raum der Europäischen Union.
  8. Um professionell Pflegenden, die heute bereits auf unseren Stationen arbeiten, eine Partizipation zu erleichtern fordern wir eine gezielte Förderung dualer Studienmöglichkeiten, die es auch beispielsweise Alleinerziehenden ermöglicht, ihre Karriere voran zu treiben.
  9. Wir wollen in Bayern interessierten Menschen die Möglichkeit bieten, einen Master-Abschluss in Advanced-Practice-Nursing zu erringen. Absolvent*innen dieses Studienganges sind als hochqualifizierte Fachkräfte in der Lage der Schlüssel zur Linderung des Pflegenotstandes zu werden: als gemeindliche Gesundheits- und Krankenpfleger*innen können sie Menschen in nahezu allen Notlagen unterstützen und sind zudem die Fachleute für Gesundheitsprävention und ganzheitliche Unterstützung vor Ort.

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