Mobilität

Zeit für einen Grünen Deutschlandtakt!

Beschluss der Landesdelegiertenkonferenz am 6.11.2021

Zuverlässige Mobilitätsketten – unkompliziert, schnell und barrierefrei. Keine Ungewissheit beim Umsteigen, der nächste Zug kommt garantiert. Kurzum: ein Fahrplan für alle! Diese Vision im Deutschlandtakt wollen wir als Grüne für die Zukunft vorantreiben, damit die Bahn als Verkehrsmittel der Zukunft eine Verdoppelung der Fahrgastzahlen bis 2030 erreichen kann. Allerdings sind auf dem Weg dorthin entscheidende Stellschrauben neu zu justieren. Scheuers Deutschlandtakt braucht ein Reset! Stattdessen fordern wir eine Weiterentwicklung in einer Version 2.0 mit neuen Planungsprämissen, Stärkung des Nah- und Regionalverkehrs und einem Bekenntnis zur ökologischen Verkehrswende im Koalitionsvertrag.

  1. Die richtigen Prioritäten setzen – Nah- und Regionalverkehr stärken

Im Sinne der Mobilitätswende muss mehr Verkehr von der Straße auf die Schiene. Die größten Potenziale zur CO2-Einsparung liegen hier im Personennah- und Regional- sowie im Güterverkehr. Statt den Fokus wie beim vorliegenden Entwurf des Deutschlandtakts des BMVI vorrangig auf den Personenfernverkehr zu richten und damit teils sogar Personennah- und Güterverkehr auf der Schiene auszubremsen, müssen wir das Augenmerk auf ebendiese Sparten richten. Für uns ist klar: Die Verkehrswende muss vor allem im Regionalverkehr Fahrt aufnehmen. Das verträgt sich auch mit mehr Kapazitäten für den Schienengüterverkehr. Wir brauchen mehr schnellen und zuverlässigen Nahverkehr mit dichten Takten in der Fläche, damit alle eine attraktive Schienenverbindung vor der Haustüre haben und weniger milliardenschwere Prestigeprojekte zwischen den Metropolen. Dafür brauchen wir mehr Reaktivierungen, mehr Elektrifizierungen, mehr Mehrgleisigkeit, mehr moderate Geschwindigkeitserhöhungen, mehr Bahnsteige, Bahnhöfe und mehr Züge.

  1. Klimaneutrale Schiene

Damit die Bahn langfristig als umweltfreundliches Verkehrsmittel eingesetzt wird, streben wir eine möglichst vollständige Dekarbonisierung bei Bau und Betrieb an. Wo eine Elektrifizierung noch nicht vorhanden ist, so muss dies vorrangig im Deutschlandtakt als Etappenziel vorangestellt werden. Alternativ sind Akku-Hybridantriebe heranzuziehen. Die in Bayern weit verbreitenden Dieselnetze sollen endgültig der Vergangenheit angehören. Insgesamt streben wir einen moderaten Energieverbrauch auf der Schiene mit möglichst hohem Wirkungsgrad an. Neu- und Ausbauprojekte sind umweltschonend mit betrieblich flexiblen Planungsvarianten anzugehen und müssen sich hinsichtlich ihres ökologischen Fußabdrucks in der Wirtschaftlichkeit messen lassen. Insbesondere Tunnelprojekte mit hohem Einsatz von Beton, Zement sowie Instandhaltung im Allgemeinen erzeugen einen hohen Energieverbrauch und werden oftmals vorgeschlagen, um einen Rückbau bestehender Straßeninfrastruktur zu umschiffen. Eine klimaneutrale Schiene wollen wir in ihrer Priorität stärken und zurück in die Ebene Null führen. Denn zur Verkehrswende gehört auch eine Umverteilung versiegelter Fläche zugunsten des Umweltverbundes.

  1. Planungsinstrumente für die Verkehrswende

Der Bundesverkehrswegeplan gehört durch einen Bundesnetzplan bzw. Bundesmobilitätsplan mit gesamtheitlicher Betrachtung aller Akteur:innen und der Verkehrsinfrastruktur ersetzt. Damit im Bundesverkehrswegeplan mit Abschluss des Jahres 2030 eine Zäsurwirkung entsteht, fordern wir eine Anpassung des Deutschlandtaktes als Projekt des BVWP mit einer fahrbaren und barrierefreien Version bis spätestens 2030. Über Konzessionen ist zu garantieren, dass der Deutschlandtakt auch tatsächlich gefahren wird. Parallel fordern wir auf Landesebene eine Verzahnung durch einen im zweijährigen Rhythmus zu überarbeitenden Nahverkehrsplan. ÖPNV muss als Daseinsvorsorge und Pflichtaufgabe verstanden werden. Deshalb sind alle Haltepunkte im Nahverkehr mindestens stündlich, in Verdichtungsräumen halbstündlich zu bedienen. Bestehende Kapazitäten bleiben damit nicht länger ungenutzt. Das weiterführende Bedienungsangebot im Deutschlandtakt wollen wir durch die Landesentwicklungspläne absichern und umsetzen. Für Mittelzentren, die oftmals über herausragende Ortsumgehungen, aber keine schnelle Anbindung auf der Schiene verfügen, fordern wir ein mindestens stündliches bayernweites Regionalexpress- Netz ergänzt durch Überlandbuslinien. Alle Oberzentren wiederum sind mindestens an eine stündliche Takttrasse im Fernverkehr anzubinden. Schließlich bilden die drei Metropolen München, Nürnberg und Augsburg als sog. “Windmühlen” viertelstündliche Rhythmen im Fernverkehr und werden zusätzlich in einen Europa- Takt als Systemhalte eingegliedert.

  1. Resilienz ins Schienennetz bringen

Ein resilientes Schienennetz kann betriebliche Störungen widerstandsfrei auffangen, ohne dass Chaos entstehen kann. Deshalb sind Kleinstmaßnahmen bei der Ableitung von Infrastruktur in ihrer Umsetzung voranzustellen und bei der Bewertung nach Wirtschaftlichkeit zu begünstigen. Zur Erreichung der Klimaziele fordern wir spürbare Bewertungs- und Planungserleichterungen bei Kleinstmaßnahmen wie Bahnsteigen, Fahrdraht, Weichen, Anhebung der Höchstgeschwindigkeit, zweigleisigen Ausbauten bzw. Überholabschnitten, Verbindungskurven, Überwerfungsbauwerken und Blockverdichtungen. Insbesondere die hinderlichen Reaktivierungskriterien wollen wir auf ein ausreichendes Mindestmaß erleichtern und die zu reaktivierenden Strecken als Schattenplanungen
im Deutschlandtakt verankern. Zur Entflechtung der Kernnetzkorridore setzen wir uns zudem für neue Tangentialverbindungen ein, damit die wichtigsten Knoten betrieblich stabil bleiben. Um den Betrieb reibungslos zu gestalten und das Fahrgastpotential zu steigern machen wir uns für einen barrierefreien Ausbau mit neuen Bahnsteigquerungen und Fahrradparkhäusern stark.

  1. Transparente Planung

Wir fordern eine transparente und lückenlose Öffentlichkeitsbeteiligung hinsichtlich aller Planungsschritte, von der Verkehrsstromanalyse bis zur Nutzen-Kosten-Untersuchung im Deutschlandtakt. Zur Übertragung des schweizerischen Modells werden Bundestagsbeschlüsse benötigt – einerseits zu volkswirtschaftlichen Zielen der Verkehrsplanung und zur Methodik der Eisenbahnplanung (z.B. angebotsorientierte Infrastrukturplanung, Etappierbarkeit, Ermöglichung volkswirtschaftlich zweckmäßiger Bauvorleistungen) und andererseits zur Durchführung von sog. Vernehmlassungsverfahren (Beteiligung interessierter Bürger:innen, Fachleuten und Träger Öffentlicher Belange an den Planungsschritten, transparente Prüfung externer Vorschläge). Daneben ist ein Beschluss zum Grundsatz der Informationsfreiheit und zum Grundsatz von OpenData aller staatlich finanzierter Erhebungen von Strukturdaten und aller staatlich finanzierten Planungsstudien erforderlich (insbesondere mit barrierefreiem und kostenlosem Informationszugang, Datenbereitstellung in allgemein üblichen Datenformaten zum hindernisfreien Download). Ergänzend ist der Zielfahrplan mit einem aktuellen Fahrplan im Ist-Zustand rückzukoppeln.

  1. Kontinuität und Diversität im Fahrplanangebot

Kernelement eines integralen Taktfahrplans sind aufeinander abgestimmte Anschlüsse in den Bahnknoten. Gewachsene Taktbeziehungen aus der Schweiz und Österreich sind beizubehalten und als Basis heranzuziehen, auf der die weiteren europaweiten Anschlüsse aufgebaut werden können. Damit erhöhen wir die Kompatibilität grenzüberschreitender Verkehre. Das Spektrum der Fahrzeuge sowie des Angebots ist deutlich diverser geworden, als im aktuellen Deutschlandtakt abgebildet. Teilweise werden bereits Fernverkehrsangebote gefahren, die im aktuellen Entwurf des Deutschlandtakt nicht existieren. Eine drohende Verschlechterung ist daher zu vermeiden. Insbesondere die kombinierten Verkehre im Güterverkehr wollen wir durch abgeleitete Güteranschlüsse stärken und so spürbar eine Verlagerung von der Straße auf die Schiene erzeugen. Im Fernverkehr ist wiederum eine Flexibilisierung und Konkretisierung erforderlich – statt stündlicher Linien sind Trassen zu bilden, womit der Brückenschlag zwischen stündlich getakteten Verbindungen sowie Zügen in Einzellagen bzw. touristischer Verkehre gelingt. Fehlende, aber zugelassene Höchstgeschwindigkeiten sind im neuen Zielfahrplan als Zugtyp mit abzubilden, um das Gefälle zu verringern. Wir machen uns stark für ein klares Bekenntnis zur Neigetechnik, um topographisch anspruchsvolle Regionen weiterhin attraktiv anbinden zu können.

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