Antidiskriminierung

Stark gegen Rassismus: Für eine solidarische Gesellschaft, die die Würde jedes Menschen schützt

Beschluss des Digitalen Kleinen Parteitags der bayerischen Grünen vom 11. Juli 2020

Der gewaltsame Tod von George Floyd nach einem brutalen Polizeieinsatz in Minneapolis macht die tiefe und strukturelle Diskriminierung von Schwarzen und People of Color (PoC) in den USA erneut sichtbar. Wir unterstützen das Anliegen und die friedlichen Proteste der weltweiten #BLACKLIVESMATTER Bewegungen, unsere Solidarität gilt allen Menschen, die von Rassismus betroffen sind – in den USA, weltweit, und eben auch hierzulande.

Auch Deutschland hat ein strukturelles Problem mit Rassismus. Davor haben PoCs, Schwarze Menschen, Muslim*innen und Jüd*innen sowie Sinti*zze und Rom*nja seit Jahren gewarnt und gemahnt. Doch sie wurden lange nicht gehört, ihre Angst wurde nicht ernst genommen, auch nicht nach Mölln, Solingen, dem NSU-Komplex, München, dem Mord an Walter Lübcke, Halle oder Hanau. Das muss sich ändern, denn Rechtsextremismus und rechter Terror treffen vor allem Menschen mit Rassismuserfahrung.

Rassismus entsteht nicht im luftleeren Raum. Einerseits sind da die Hetzer und Stichwortgeber*innen, auch in unseren Parlamenten. Sie wollen, dass wir uns an ihre entgrenzte Sprache gewöhnen, an die Angriffe auf Minderheiten, an ihre Ideologie der Ungleichwertigkeit. Sie wollen nicht diskutieren, sondern Diskurs zerstören. Sie wollen ihren Hass salonfähig machen. Mehr denn je ist es Aufgabe aller Demokrat*innen, sich dem mit aller Kraft entgegenzustellen.

Andererseits wäre es falsch, Rassismus allein als Phänomen der Extreme zu verklären; als ein Gift, das von außen auf uns einwirkt. Rassismus ist in unserer Gesellschaft fest verankert und allgegenwärtig. Er unterscheidet Menschen nach Herkunft, Kultur, Religion und weist einigen einen höheren, anderen einen niedrigeren Rang in der Gesellschaft zu – oft auch nur unterbewusst und niedrigschwellig. Für viele Menschen gehört dieser strukturelle Rassismus seit Jahrzehnten zum Alltag. In Form eines mal lauten, mal leisen Grundrauschens war und ist kultureller, ethnischer, auch antimuslimischer Rassismus für viele Menschen in Deutschland schmerzhafte alltägliche Erfahrung. An den Universitäten, in den Personalabteilungen, auf dem Wohnungsmarkt: Rassistisch bedingte Machtstrukturen haben System. Und nicht selten geht Rassismus einher mit Sexismus und Frauenfeindlichkeit.

Wenn es nicht bei bloßen Bekundungen bleiben soll, muss unsere unbedingte Solidarität deshalb weiter reichen. Wir dürfen nicht hinnehmen, dass Menschen Angst haben, dass sie tagtäglich Diskriminierung und Rassismus ausgesetzt sind. Beweisen wir, dass wir an der Seite aller stehen, die von Diskriminierung und Ausgrenzung betroffen sind. Das geht nur, wenn die Perspektive der Menschen mit Rassismuserfahrung einbezogen und ernst genommen wird. Wir lassen nicht zu, dass alltäglicher Rassismus weiter kleingeredet wird, sondern wir gehen entschlossen dagegen vor – und nehmen dabei auch selbstkritisch unser eigenes Verhalten in den Blick.

Es reicht nicht, Rassismus und Rechtsextremismus rein sicherheitspolitisch zu bekämpfen, denn ihnen liegen gesamtgesellschaftliche Strukturen zu Grunde. Ebenso wenig reicht es nicht, nur die Symptome zu lindern, es ist an der Zeit das Problem an der Wurzel anzupacken. Kurzum: Gestalten wir gemeinsam eine Gesellschaft, in der die Würde jedes Menschen tatsächlich im Zentrum steht. Eine Gesellschaft, in der rassistische, rechtsextreme und antifeministische Bestrebungen möglichst wenig Nährboden vorfinden. Schaffen wir ein gesellschaftliches Klima, in dem die Leistungen der Einwanderungsgesellschaft gewürdigt und Diversität nicht nur als Realität, sondern auch als Stärke anerkannt wird. Eine solidarische Gesellschaft.

Um Rassismus erfolgreich zu bekämpfen, brauchen wir gesamtgesellschaftliche Ansätze. Deshalb fordern wir:

1. Neues Staatsziel „Vielfalt in Einheit“ nach kanadischem Vorbild in Landesverfassung aufnehmen

Das Bekenntnis zu Deutschland als Einwanderungsland wollen wir in unserer Landesverfassung verankern. Außerdem unterstützen wir auf Bundesebene die Forderung, eine neue Gemeinschaftsaufgabe im Sinne von Art. 91a GG „Gleichberechtigte Teilhabe, Chancengerechtigkeit und Integration“ zu formulieren, die sicherstellt, dass der Bund bei der Rahmenplanung und Finanzierung dieser Ziele, die Länder und Kommunen unterstützt. Die Gestaltung der Migrationsgesellschaft muss zukünftig stärker als gesamtstaatliche Verantwortung wahrgenommen werden.

2. Begriff „Rasse“ aus der Landesverfassung streichen

Rassismus lässt sich nicht glaubwürdig bekämpfen, so lange der Begriff „Rasse“ in unserer demokratischen Grundlage –unserem Grundgesetz und der Bayerischen Verfassung – beibehalten wird. Der Grundgedanke des Wortlautes suggeriert ein Menschenbild unterschiedlicher „Rassen“. Damit wird rassistischem Denken Vorschub geleistet. Darum setzen wir uns für die Streichung des Wortes „Rasse“ aus der Bayerischen Verfassung und dem Grundgesetz ein.

Stattdessen soll normiert werden, dass niemand rassistisch benachteiligt werden darf. Auch wird diese Reform dafür genutzt, die staatliche Gewährleistungspflicht auf Schutz gegen jedwede gruppenbezogene Verletzung der gleichen Würde aller Menschen zu stärken.

3. Antirassismusbeauftragte für den Freistaat Bayern

Wir wollen Antirassismus und Demokratieförderung als Querschnittsaufgaben vorantreiben. Rassismus wurde in großen Teilen der deutschen Politik lange nicht als Problem betrachtet. Um dieses Defizit an Wissen, Erfahrungen und Expertise aufzuarbeiten und aufzuholen, wollen wir eine unabhängige Expert*innenkommission einsetzen, die in der Bayrischen Staatskanzlei angesiedelt ist. Wir brauchen ein konsequentes Vorgehen gegen Rassismus, Antisemitismus, Antiziganismus und sämtliche menschenfeindlichen Einstellungen mit allen rechtsstaatlichen Mitteln. Die Expert*innenkommission soll Maßnahmen zur Bekämpfung von Rassismus entwickeln und deren Umsetzung koordinieren und „kontrollieren“. Ein*e Antirassismusbeauftragte*r soll zusätzlich alle Maßnahmen der Landesregierung zu Antirassismus in jeglicher Form wirksam bündeln und in einem jährlichen Bericht zu Erscheinungsformen und Entwicklungen des Rassismus in Bayern dem Landtag vorlegen. Durch den institutionalisierten Austausch zwischen Wissenschaft, Zivilgesellschaft und Sicherheitsbehörden, zwischen Staatsschutz, Politik und Justiz, soll die Expert*innenkommission nachhaltige Strategien gegen Rassismus für den Freistaat Bayern entwickeln.

4. Demokratieförderung als eigenständigen Aspekt im Gemeinnützigkeitsrecht verankern

Vereine und Einrichtungen, die sich für unsere Demokratie einsetzen, sind das Rückgrat des bürgerschaftlichen Engagements in Deutschland. Deshalb müssen die Rechtssicherheit und die Gleichbehandlung verschiedener zivilgesellschaftlicher Akteure sichergestellt werden. Der Einsatz für den Erhalt und die Förderung unserer Demokratie ist zweifellos gemeinnützig.

5. Demokratiefördergesetz jetzt auf den Weg bringen und Landesaktionsplan vorlegen

Die Demokratieförderung auf kommunaler Ebene, auf Länder- und Bundesebene muss durch ein Demokratiefördergesetz sichergestellt, ausgebaut und dauerhaft abgesichert werden. Das Gesetz umfasst die Stärkung kommunaler und zivilgesellschaftlicher Strukturen. Ziel ist es, dass bundesweit Fördermittel zur niedrigschwelligen Förderung von Projekten lokaler zivilgesellschaftlicher Initiativen bereitgestellt werden können, die unbürokratisch vergeben werden. Flächendeckende mobile Beratungskapazitäten sollen sicherstellen, dass auch der strukturschwache Raum erreicht wird.

Wir fordern die Landesregierung auf, einen ressortübergreifenden Landesaktionsplan gegen Rassismus, Antisemitismus und Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit in Bayern zu erarbeiten. Wir wollen außerdem die Erhöhung der Ausgaben für Ko-Finanzierungen des Freistaats Bayern zum Bundesprogramm „Demokratie leben!“ zur Stärkung der Mobilen Beratung, der Opferberatung, der zivilgesellschaftlichen Aussteigerarbeit, der außerschulischen Bildungsarbeit sowie für ein Förder- und Aktionsprogramm zur Unterstützung zivilgesellschaftlicher Initiativen gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit. Um das Verwaltungshandeln für Demokratie und gegen Rechtsextremismus, Rassismus, Antisemitismus sowie weitere Formen der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit über alle Ebenen und Ressortgrenzen hinweg zu koordinieren, wollen wir außerdem eine „Koordinierungsstelle Demokratie“ einrichten, die alle Verwaltungsebenen bezüglich dieser Problemfelder sensibilisiert und die Verwaltung darüber hinaus mit der Zivilgesellschaft vernetzt.

6. Politische Bildung als lebenslanges Lernen ernst nehmen

Um sich mit den Grundwerten unserer Demokratie, mit Antirassismus, der kolonialen Vergangenheit und Rechtsextremismus auseinandersetzen zu können, ist politische und historische Bildung unerlässlich. Wir verstehen politische Bildung generationenübergreifend als Teil des Lebenslangen Lernens, das gezielt gefördert werden muss, insbesondere in strukturschwachen Regionen. Wesentlich dabei ist, die Voraussetzungen zu schaffen, dass Bürger*innen im Prozess der politischen Meinungsbildung Debatten besser reflektieren und einordnen können; dabei sind neben Jugendlichen auch stark berufsaktive Zielgruppen in den Blick zu nehmen. Dabei gilt es nicht nur die Bundes- und Landeszentralen für politische Bildung zu stärken, sondern auch die Expertise zivilgesellschaftlicher Organisationen, wie die Migrant*innenselbstorganisationen, zu nutzen und diese dabei strukturell und finanziell einzubinden und zu fördern. Darum wollen wir unter anderem bei der Landeszentrale für Politische Bildungsarbeit einen Interventionsfonds zur unbürokratischen Unterstützung lokaler Bündnisse auflegen, die sich für unsere Demokratie und gegen Menschenverachtung engagieren. Nach thüringischem Vorbild ist dieser Fonds auf kurzfristige intervenierende Aktionen gegen Rechtsextremismus, Rassismus, Antisemitismus und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit ausgerichtet. Diese können bis maximal 1.000 Euro gefördert werden.

7. Antirassistische Bildungsarbeit, Aus- und Fortbildung

Das Netzwerk „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ hat sich der Antirassismusarbeit an Schulen verschrieben und ermutigt Schulgemeinschaften, das Klima an ihrer Schule ohne Rassismus und mit Courage zu gestalten. Diese wichtige Arbeit der Sensibilisierung und Thematisierung sowie Projektarbeit an Schulen wollen wir weiter ausbauen und fördern.

Um einer pluralen Demokratie gerecht zu werden, sollten sich die vielfältigen und unterschiedlichen Perspektiven auf deutsche Geschichte und Gegenwart auch in den bayerischen Lehrplänen widerspiegeln. Deshalb fordern wir, dass sich Bayern im Rahmen der Kulturministerkonferenz dafür einsetzt, dass in Kooperation mit dem Forum Rassismus eine gemeinsame Erklärung erarbeitet wird, die die Schritte zu einer Thematisierung des Kolonialismus, von Antirassismus und der deutschen Geschichte als Einwanderungsland in den Schulen aufzeigen soll. Unsere koloniale Vergangenheit ist ein integraler Bestandteil unserer Geschichte und die kritische Aufarbeitung auch immer wichtiger Teil unserer Gegenwart.

Die Landeszentrale für politische Bildung soll besser ausgestattet werden, um ihre jugendspezifischen Angebote auszubauen und Trägern politischer Bildung mehr Anreize zum Ausbau eigener Programme bieten zu können. Ziel ist ein nachhaltiges und strukturell verankertes rassismuskritisches Bewusstsein der Schüler*innen, Lehrenden und anderen Pädagog*innen sowie Sozialarbeiter*innen. Dazu gehört auch Aus- und Fortbildungen von Lehrerinnen und Lehrern zur Demokratiebildung auszubauen und rassismuskritischen Politikunterricht an allen Schulformen zu stärken. Wir setzen uns für die Einrichtung einer zentralen Anlaufstelle für Schulen zur Erstberatung und Begleitung bei akuten Fällen und zur längerfristigen Betreuung von Schulen ein, die sich aktiv Rassismus und Antisemitismus entgegenstellen. Zudem braucht es unabhängige Beschwerdestellen für Schüler*innen, die Rassismuserfahrungen gemacht haben.

8. Einrichtung eines Sachverständigenrates zu Demokratiefragen und Verfassungswerten

Die offene Gesellschaft kommt zunehmend unter Druck. Für die Sicherung und Fortentwicklung unserer Demokratie ist die stetige qualitative Analyse zu Einstellungen zu unserer Demokratie wichtiger denn je. Deshalb wollen wir einen bayrischen Sachverständigenrates zu Demokratiefragen und Verfassungswerten einsetzen, der Einstellungen und die Wahrnehmung unserer pluralen Demokratie bündelt, beurteilt und bewertet. In seiner Funktion als ein unabhängiges, interdisziplinär besetztes Expert*innengremium soll regelmäßig die „Qualität“ der Demokratie in Bayern sowie die Einstellung der bayrischen Bevölkerung zur Demokratie erforscht, Forschungslücken geschlossen und Empfehlungen erarbeitet werden.

Das Versprechen einer pluralen Demokratie einlösen – Vielfalt und Teilhabe als gelebte Grundüberzeugungen

9. Ein modernes Staatsangehörigkeitsrecht, das Teilhabe ermöglicht

Wir setzen uns auf Bundesebene dafür ein, das Staatsangehörigkeitsrecht als Grundvoraussetzung für eine inklusive Gesellschaft, die Teilhabe und Partizipation garantiert, zu reformieren. Es ist an der Zeit, der pluralen Demokratie auch durch das Staatsangehörigkeitsrecht zur Wirklichkeit zu verhelfen und eine Reform des Staatsangehörigkeitsrechts voranzutreiben. Statt einem Rollback zum diskriminierenden Abstammungsprinzip (ius sanguinis) Vorschub zu leisten, braucht es ein offenes, auf den Erwerb der Staatsangehörigkeit ausgerichtetes Einwanderungs- und Staatsangehörigkeitsrecht. Um unsere Einwanderungsgesellschaft zu gestalten, wollen wir alles daransetzen, dass sich Menschen unserer freiheitlichen und demokratischen Gesellschaft zugehörig fühlen, dass sie Deutsche sein und auch bleiben wollen.

10. Recht auf Teilhabe gesetzlich verankern

Eine plurale Demokratie kann nur gelebt werden, wenn allen Menschen in unserer Einwanderungsgesellschaft tatsächlich gleichberechtigte Teilhabe und Partizipation in der Gesellschaft ermöglicht wird. Wir fordern ein Teilhabe- und Partizipationsgesetz sowohl auf Bundesebene als auch für den Freistaat Bayern, um rechtliche Gleichbehandlung, demokratische Teilhabe und Beteiligung gesetzlich zu verankern. Ein Partizipations- und Integrationsgesetz ist ein wichtiger Beitrag, um die Gleichstellung aller Menschen im Land auf eine gesetzliche Grundlage zu stellen.

11. Landesantidiskriminierungsgesetz und bayerische Antidiskriminierungsstelle einführen

Mit dem „Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz“ (AGG) hat der Bundesgesetzgeber vier EU-Richtlinien gegen Diskriminierung umgesetzt. Das AGG ist allerdings auf die Erwerbstätigkeit und den Privatrechtsverkehr beschränkt, sodass ein vergleichbarer Diskriminierungsschutz bei öffentlich-rechtlichem Handeln, z.B. beim staatlichen Bildungswesen oder bei den Sicherheitsbehörden, fehlt. Diese Regelungslücke wollen wir mit einem Landesantidiskriminierungsgesetzschließen. Dieses Gesetz wäre ein grundlegender Baustein, um den rechtlichen Diskriminierungsschutz der Menschen in Bayern weiter auszubauen und die Verwaltung zu sensibilisieren und darin zu bestärken, der gesamten Gesellschaft diskriminierungsfrei als Dienstleisterin zur Verfügung zu stehen.

Auch auf Bundesebene brauchen wir ein AGG, das Betroffene in der Durchsetzung ihrer Rechte wirkungsvoll unterstützt und echten Rechtsschutz gewährleistet. Daher unterstützen wir die Forderung der Bundestagsfraktion, ein umfassendes Verbandsklagerecht und das Schließen von Rechtslücken. Entsprechend soll die Antidiskriminierungsstelle des Bundes finanziell und personell gestärkt werden und ein flächendeckendes Netz von Beratungsstellen etabliert werden. Die Etablierung solcher Stellen ist auch auf Landesebene essentiell, darum setzen wir uns für die Errichtung einer weisungsunabhängigen Bayerischen Antidiskriminierungsstelle ein. Wir wollen diese mit jährlich 500.000 Euro ausstatten. Auch auf kommunaler Ebene wollen wir die Strukturen der Antidiskriminierungsarbeit besser fördern. In Anlehnung an die unabhängige Antidiskriminierungsstelle des Bundes sollen Personen unterstützt werden, die Benachteiligungen selbst erfahren oder beobachtet haben, die rassistisch motiviert oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität erfolgt sind.

Wir lassen Personen, die von Rechtsextremen bedroht werden, nicht alleine: Wer auf so genannten „Todeslisten“ von extremen Rechten aufgeführt wird, muss darüber informiert werden, um gemeinsam mit Sicherheitskräften ein anhand der Bedrohungslage angemessenes weiteres Vorgehen abzustimmen.

Außerdem wollen wir in Zusammenarbeit mit den kommunalen Spitzenverbänden ein Konzept für eine zentrale Anlaufstelle für Beratung und Prävention entwickeln, die kommunale Amts- und Mandatsträger*innen sowie Mitarbeitende der Kommunalverwaltungen, die angegriffen, bedroht und anderweitig angefeindet werden, bei der Wahrnehmung ihrer Rechte unterstützt, sie im Bedrohungsfall berät, Fortbildungs- und Informationsangebote bereithält und den Austausch zwischen den Betroffenen fördert.

12. Kommunale Sicherheitspartnerschaften vor Ort schaffen

Die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit und die Stärkung des Sicherheitsgefühls der Bevölkerung, insbesondere für Menschen mit Rassismuserfahrungen, profitiert von Vernetzung, Austausch und Zusammenarbeit. Wir setzen uns daher für die koordinierte Zusammenarbeit staatlicher Stellen mit kommunalen Akteuren in Form von Sicherheitspartnerschaften ein. Hier werden Frühwarnsysteme etabliert, der Austausch verstetigt, die Sensibilisierung verbessert und beteiligte Akteure zusammengebracht. Dazu gehört auch eine Verbesserung des Schnittstellenmanagements zwischen Sicherheits- und Versammlungsbehörden. Außerdem braucht es verstärkt juristische Beratungsangebote, um Kommunen beispielsweise im Umgang mit Immobilien, die von Rechtsextremen benutzt oder erworben werden, sowie bei rechten Konzerten, zu unterstützen. Nicht nur aus präventiven Gesichtspunkten ist die Schaffung solcher Strukturen von Vorteil. Sie verbessern auch die Reaktionsfähigkeit der Sicherheitsbehörden und tragen dazu bei, Kriminalität einzudämmen und damit die objektive und subjektive Sicherheitslage zu verbessern. Die bestehenden Strukturen der Sicherheitswachten wollen wir hingegen auflösen.

13. Interkulturelle Berater*innen bei den Sicherheitsbehörden

Rassismuskritische und auf den Abbau von Diskriminierung gerichtete Strukturen müssen auch bei den Polizei- und Sicherheitsbehörden ausgebaut und institutionalisiert werden und innerhalb der Behördenhierarchien fest verankert werden. Die Aufgabenbereiche umfassen die Rollen von Dialogbeauftragten als vermittelnde Akteure sowie die Organisationsentwicklung innerhalb der Behörden. Darüber wollen wir die Opferberatung stärken.

14. Vertrauen in eine bürgernahe Polizei stärken

Rassistische und antisemitische Einstellungsmuster sind in der Gesamtgesellschaft nach wie vor weit verbreitet, Polizist*innen sind davon nicht ausgenommen. Darum wollen wir einen Ansprechpartner für Menschen innerhalb und außerhalb der Polizei schaffen, der auch Bürger- und Menschenrechtsorganisationen zur Verfügung steht und zum Beispiel bei rassistischen oder rechtsextremen Vorfällen kontaktiert werden kann. Diese Beschwerdestelle in Form eines/ einer unabhängigen Polizeibeauftragte*n soll das Vertrauen der Bevölkerung in die Polizei stärken. Menschen, die rassistische Erfahrungen mit Sicherheitskräften machen, erhalten dadurch eine verlässliche Anlaufstelle, um sich dagegen zur Wehr zu setzen; gleichzeitig können sich Polizeibeamt*innen bei entsprechenden Vorfällen selber an den/ die Beauftragte*n richten. Eine externe Kontrolle der Polizei ist besonders wichtig, gerade weil die Polizei eine wichtige gesellschaftliche Funktion hat und Ansprechpartnerin für ganz unterschiedliche Probleme und Konflikte ist. Um mehr Transparenz und verbesserte Kontrollmöglichkeiten in der Polizeiarbeit herzustellen, fordern wir eine, in vielen anderen Bundesländern bereits angewandte, Kennzeichnungspflicht mit individuellen Nummern für Polizist*innen im Einsatz. Aufgrund ihrer herausragenden Aufgabe und Rolle müssen Polizeibehörden besonderes Augenmerk auf rassistische oder verfassungsfeindliche Einstellungen im Kreis ihrer Beschäftigten richten. Darum soll Rassismus-sensible Polizeiarbeit in der Aus- und Fortbildung von Polizist*innen eine größere Rolle spielen.

15. Unabhängiges Institut zum Schutz der Verfassung gründen

Ein Paradigmenwechsel, verbunden mit einem Quantensprung in der Analysefähigkeit der gegenwärtigen Bedrohungslage durch Rechtsextremismus und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit, ist dringend gefordert. Deshalb braucht es ein unabhängiges Institut zum Schutz der Landesverfassung. Mithilfe des Instituts soll die Expertise aus Wissenschaft und Zivilgesellschaft dauerhaft in die Analysen des Landesamtes für Verfassungsschutz einfließen und nutzbar gemacht werden. Zu diesem Neustart des Verfassungsschutzes gehört die Befähigung der Sicherheitsbehörden, Gefährdungen durch rechtsextremistische Netzwerke tatsächlich zu erkennen. Nur so können ernsthafte und wirksame Konsequenzen aus den gemachten Fehlern, insbesondere aus dem NSU-Terror, gezogen werden.

Für den Bayerischen Landesverfassungsschutz bedarf es einer verstärkten parlamentarischen Kontrolle. Außerdem setzen wir uns für nachprüfbare Dokumentationen der Verfahrens- und Entscheidungsabläufe des Landesverfassungsschutzes und eine klare Abgrenzung zu den Aufgaben der Polizei ein.

16. Bayerns koloniales Erbe aufarbeiten

Rassismus ernst zu nehmen bedeutet auch, dass sich Bayern seiner kolonialen Vergangenheit und der damit einhergehenden Verantwortung stellen muss. Gemeinsam mit von Rassismus betroffenen Akteur*innen und den Nachfahren Kolonialisierter wollen wir Konzepte für einen adäquaten Umgang mit kolonialen Relikten entwickeln. Neben dem Bildungsbereich nehmen wir dabei auch die kolonialen Spuren im öffentlichen Raum in den Blick: Wir fordern eine kritische Auseinandersetzung mit Kolonialdenkmälern und Straßennamen, die über die bloße Anbringung von Hinweistafeln hinausgeht.

17. Schutz von Moscheen, Synagogen und anderen gefährdeten Einrichtungen sicherstellen

Für umfassende Sicherheitskonzepte zum Schutz von Moscheen, Synagogen und anderen gefährdeten Einrichtungen braucht es auf individuelle Gefährdungsanalysen aufbauende Schutzkonzepte. Wir wollen diese in Bayern konsequent umsetzen, eine finanzielle Unterstützung für die notwendig gewordenen Sicherheitsmaßnahmen sollen vom Bund bereitgestellt werden.

Unser Ziel: Zusammenhalt in Vielfalt.

18. Grüne Strukturen reformieren für eine vielfältige grüne Partei

Viele Menschen sind aufgrund von gesellschaftlichen Machtverhältnissen strukturell von Ungleichbehandlung betroffen. Deswegen setzen wir es uns zur Aufgabe, diese strukturelle Ungleichbehandlung in unseren innerparteilichen Strukturen aufzubrechen und gleichberechtigte politische Teilhabe und Repräsentation zu ermöglichen. Unser Ziel ist, dass sich die Vielfalt der Gesellschaft auf allen Ebenen unserer Partei, in Gremien und auf allen Listen abbilden lässt. Analog zum Vielfaltsstatut der Bundespartei, werden wir unsere Satzungen auf Landes- und Kreisebene überarbeiten.

19. Diskriminierung entschlossen entgegentreten

Unser Anspruch ist es, dass niemand innerhalb grüner Strukturen aufgrund des Geschlechts, einer rassistischen, antischwarzen, antisemitischen, antiasiatischen, antimuslimischen oder antiziganistischen /antiromaistischen oder antisintiistischen Zuschreibung, der Religion und Weltanschauung, einer Behinderung, Beeinträchtigung oder chronischen Erkrankung, des Lebensalters, der Sprache, der sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Identität, des sozialen Status oder der Herkunft diskriminiert oder benachteiligt wird. Mit unserer grünen Antidiskriminierungsstelle sind wir Anlaufstelle und bearbeiten zugleich aktiv Diskriminierungsfälle innerhalb grüner Strukturen, um Betroffene vor Diskriminierung und Rassismus schützen.

Politische Teilhabe darf nicht vom Einkommen oder der Lebenssituation abhängen. Unsere Strukturen wollen wir so gestalten, dass sie barrierefrei und für alle verständlich, zugänglich und durchlässig sind. Für uns ist klar: Die Vertretung der Interessen von diskriminierten Gruppen ist eine Gemeinschaftsaufgabe.

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