Beschluss auf der Landesausschuss-Sitzung am 14.12.2019
Ungeachtet der am 17. Juni 2011 vom Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen in Genf verabschiedeten Resolution 17/19 über „Menschenrechte, sexuelle Orientierung und Geschlechteridentität“ ist Homosexualität in vielen Ländern noch verboten. Auch wenn nach jahrzehntelangem Engagement der Lesben- und Schwulenbewegung in vielen Ländern in Sachen rechtlicher Gleichstellung von gleichgeschlechtlichen Lebensweisen große Erfolge erzielt werden konnten, werden Schwule und Lesben in vielen Ländern dieser Erde gesellschaftlich stigmatisiert.
Die Vertragsstaaten und somit auch Deutschland haben sich dazu verpflichtet, die Menschenrechte von LSBTIQ* zu achten, zu schützen und zu gewährleisten. Viele Menschen, die aus ihrer Heimat, vor der Gesellschaft und der Polizei, aber oft auch vor ihren Freund*innen und Familien fliehen, weil sie lesbisch, schwul, bisexuell, inter- oder trans* Personen sind, kommen daher in der Hoffnung auf ein sicheres Leben nach Deutschland. Queere Geflüchtete brauchen deshalb unsere volle Unterstützung.
AnkER-Einrichtungen und andere Gemeinschaftsunterkünften sind jedoch keine sicheren Orte. Hier treffen diese Personen fast immer auf homo- und trans*phobe Menschen, derentwegen sie einst aus ihrer Heimat geflohen sind. Sie verstecken sich, versuchen ihre Persönlichkeit zu verheimlichen, um psychischer und physischer Gewalt zu entgehen. Oft ist dieses Versteckspiel aber hinderlich im Asylprozess, wie Jusrist*innen bestätigen: wer versteckt lebt, kann das auch in seiner Heimat tun – so argumentieren BAMF-Entscheider*innen und Richter*innen mitunter. Damit ist die sexuelle Orientierung oder Identität eine Zwickmühle für queere Geflüchtete: wer sich outet, riskiert als ohnehin meist schwer traumatisierter Mensch weitere Repressalien, Drohungen, Mobbing und Gewalt zu erfahren. Wer sich versteckt, riskiert eine Ablehnung des Asylantrags.
Dieser Umstand ist für uns als menschenrechtspolitische Partei nicht tragbar. Wir kämpfen auf vielen politischen Ebenen gegen Regierungen, die die besondere Schutzbedürftigkeit queerer Geflüchteter ignorieren, obwohl diese in den EU-Asyl-Richtlinien explizit genannt ist.
Aktuell können in Fällen von psychischer und physischer Gewalt nur Einzelfallentscheidungen getroffen werden, und in der Regel nicht präventiv. Die Umverteilung erfolgt in andere Gemeinschaftsunterkünfte, wo das „Spiel“ potentiell von vorne beginnt.
Dieser Umstand macht es diesen Menschen nicht möglich, zur Ruhe zu kommen, zu schlafen, sich mit der Bewältigung des Erlebten auseinander zu setzen, und sich auf ihr Asylverfahren zu konzentrieren. Dieser Umstand macht es, je nach Örtlichkeit, unmöglich, wichtige Kontakte zu queeren Beratungsstellen zu knüpfen und zu halten, sich mit anderen Queers auszutauschen und für die Integration wichtige Freundschaften zu bilden.
Wir fordern daher:
- In allen sieben bayerischen Regierungsbezirken müssen in den jeweils größten Städten mit der mutmaßlich besten LGBTIQ*-Infrastruktur zentrale und/oder dezentrale Unterbringungsmöglichkeiten geschaffen werden für queere Geflüchtete. Diese müssen in ausreichender Zahl eingerichtet werden, bei Bedarf aufgestockt und ausschließlich queeren Geflüchteten vorbehalten bleiben, um eine sofortige Umverteilung aus Gemeinschaftsunterkünften so schnell wie möglich zu gewährleisten, wenn Bedarf besteht.
- In Beratungsbüros des BAMF und der Einrichtungen muss deutlich sichtbar und mehrsprachig als Aushang, aber auch im Gespräch darauf hingewiesen werden, dass sich Geflüchtete gegenüber ihren Berater*innen und den Behörden in Bayern nicht verstecken müssen und ihre sexuelle Orientierung oder Identität als Fluchtgrund ohne Bedenken äußern können, dass diese Information früh bekannt sein muss, um den Asylprozess nicht zu gefährden und dass diese Informationen streng vertraulich behandelt werden und nur mit dem Einverständnis und im Sinne der betreffenden Personen weitergeleitet werden.
- Queere Geflüchtete, die sich gegenüber Berater*innen oder dem BAMF als solche zu erkennen geben, müssen umgehend über die Möglichkeit einer Umverteilung informiert werden, bzw. in die oben genannten Einrichtungen proaktiv umverteilt werden.
- Die Einrichtungen sollen kooperativ mit queeren zivilgesellschaftlichen Einrichtungen betrieben werden, beziehungsweise eine Zusammenarbeit mit diesen grundsätzlich ermöglichen. Die Einrichtungen sollen grundsätzlich Zugang zu psychosozialer Beratung ermöglichen und die Untergebrachten ermutigen, diese anzunehmen.
- Die Bezirksregierungen werden über Belegung und Auslastung der Einrichtungen informiert und leiten diese Daten ihrerseits an das Bayerische Innenministerium weiter.
Neuste Artikel
Statement zur aktuellen Berichterstattung
Die Berichte der potenziell Betroffenen nehmen wir sehr ernst. Aus gutem Grund haben wir uns in der Partei Ombudsstrukturen gegeben – als vertrauliche und direkte Anlaufstelle für Betroffene. An vielen Stellen sind wir damit im politischen Raum Vorreiterin. Der Erfolg von Ombudsstrukturen hängt generell und entscheidend davon ab, dass sie vertraulich und anonymisiert stattfinden und…
Nachruf auf Alois Glück
Nachruf auf Alois Glück von der Landesvorsitzenden Gisela Sengl: Der Tod von Alois Glück ist ein herber Verlust für Bayern. Und ganz besonders für die CSU. Alois Glück war ein großer Sozialpolitiker, als Mitbegründer der Lebenshilfe war Inklusion für ihn nicht nur ein Wort, sondern ein wichtiger Auftrag. Hier hat er gerade in unserem Landkreis…
Politischer Aschermittwoch: A Mass statt Hass
Pressemitteilung Es war deftig, es war zünftig, es war brutal ehrlich: beim Politischen Aschermittwoch der GRÜNEN Bayern in Landshut. Die Zankhähne aus der Krach-Koalition, Markus Söder und Hubert Aiwanger, mussten einige Federn lassen. Denn Bayern braucht eine verantwortungsvolle Regierung und eine starke Stimme in Europa. v.l.n.r.: Eva Lettenbauer, Andrea Wörle, Omid Nouripour, Katharina Schulze, Gisela…
Ähnliche Artikel
Geflüchtete
Keine Abschiebungen aus Bayern in den Iran!
Beschluss auf der Landesdelegiertenkonferenz 2024 in Lindau Der Abschiebestopp für den Iran ist in Deutschland zum 31.12.23 ausgelaufen und wurde von der Innenminister*innenkonferenz nicht verlängert, obwohl sich an der politischen Situation im Iran nichts verändert hat. Wir fordern die politischen Entscheidungsträger*innen aller Parteien in Land und Bund auf, sich für eine dringend notwendige bundesweite Verlängerung…
Geflüchtete
Abschiebestopp für Jesid*innen in Bayern, sofort!
Beschluss der Landesdelegiertenkonferenz 2024 in Lindau Zurzeit werden immer mehr nach Deutschland geflüchtete Jesid*innen in ihre Herkunftsregionen abgeschoben, meistens in den Irak. Bis Ende Oktober 2023 wurden bundesweit schon 164 Jesid*innen abgeschoben, darunter auch viele aus Bayern. Vor dem Hintergrund, dass der Deutsche Bundestag erst im Januar 2023 den durch den sogenannten „Islamischen Staat“ im…
Geflüchtete
Humane Migrationspolitik
Beschluss der Landesdelegiertenkonferenz am 21.05.2023 Das grüne Grundsatzprogramm sagt: Unsere Demokratie ist keine, in der Zugehörigkeit auf Herkunft basiert, sondern eine offene Gesellschaft, in der wir uns gemeinsam darüber verständigen, wie wir zusammenleben wollen. Wir GRÜNE Bayern verstehen Vielfalt als Bereicherung. Menschen, die zu uns kommen, sind Teil unserer Gesellschaft. Der furchtbare Angriffskrieg Putins gegen…