Vielfaltsstatut

Präambel

Die Vielfalt unserer Partei ist unsere Stärke. Wir teilen politische Macht und verstehen uns als Bündnispartei, die auf der Grundlage gemeinsamer Überzeugungen offen ist für unterschiedliche Erfahrungen, Vorstellungen und Ansätze. Wir sind auf vielfältiges biographisches Erfahrungswissen und vielfältige Perspektiven angewiesen, um als Partei umfassende Antworten auf Fragen zu finden, die uns als gesamte Gesellschaft betreffen.

Diesem Selbstverständnis nach ist es unser Anspruch, dass bei uns alle Menschen, die unsere Werte und Ziele teilen, die Möglichkeit haben, sich gleichberechtigt einzubringen, ihre Interessen zu vertreten und ihre Themen zu repräsentieren – ohne Barrieren, Hürden oder Vorurteile. Diese wollen wir in unseren Parteistrukturen finden und einreißen. Dazu gehört auch, unsichtbare, ausschließende Strukturen zu benennen und sichtbar zu machen. Wir wollen sie bearbeiten und überwinden.

Unser Ziel ist Zusammenhalt in Vielfalt. Viele Menschen sind jedoch aufgrund von gesellschaftlichen Machtverhältnissen strukturell von Ungleichbehandlung betroffen.

Seit unserer Gründung setzen wir uns für die gleichberechtigte Teilhabe aller Menschen ein. Vieles haben wir erreicht, sei es im Staatsangehörigkeitsrecht, bei der Gleichberechtigung der Geschlechter, bei der Ehe für alle oder bei der Inklusion. Doch auch Jahrzehnte nach unserer Gründung und der Wiedervereinigung sind nach wie vor große gesellschaftliche Gruppen unterrepräsentiert. Wir wollen, dass alle mit am Tisch sitzen.

Deswegen setzen wir es uns zur Aufgabe, diese strukturelle Ungleichbehandlung in unseren innerparteilichen Strukturen aufzubrechen und gleichberechtigte politische Teilhabe und Repräsentation zu ermöglichen.

Wir wollen, dass sich die vielfältigen Perspektiven der gesamten Gesellschaft in unserer Partei abbilden. Die Repräsentation von diskriminierten Gruppen mindestens gemäß ihrem gesellschaftlichen Anteil auf allen Ebenen ist unser Ziel.

Wir stellen uns Diskriminierung auf allen Ebenen und in allen Gliederungen entschlossen entgegen.

Unser Anspruch ist es, unsere grünen Strukturen kritisch zu hinterfragen und so zu gestalten, dass niemand in Bezug auf das Geschlecht, eine rassistische, antisemitische oder antiziganistische Zuschreibung, die Religion und Weltanschauung, eine Behinderung oder Erkrankung, das Lebensalter, die Sprache, die sexuelle Orientierung oder geschlechtliche Identität, den sozialen Status, die Herkunft oder jede andere Zuschreibung diskriminiert wird.

Durch kritische Selbstreflexion auf allen Ebenen verankern wir Wissen und Bewusstsein über bestehende oder mögliche Diskriminierungsmechanismen – gerade auch mehrdimensional wirkende – in unserer Partei und bauen diese Mechanismen aktiv ab. Diskriminierungsfälle innerhalb grüner Strukturen werden wir aktiv bearbeiten und Betroffene vor Diskriminierung und Rassismus schützen. Dafür sind wir auf die Erfahrungen und Expertise der Parteimitglieder, die eigene Diskriminierungserfahrungen haben, angewiesen.

Wir etablieren und stärken innerhalb unserer Strukturen geschützte Räume (safer spaces) auf allen Ebenen, in denen Mitglieder sich austauschen, vernetzen und empowern können, und stellen dafür Ressourcen zur Verfügung.

Politische Teilhabe darf nicht vom Einkommen oder der Lebenssituation abhängen. Unsere Strukturen wollen wir so gestalten, dass sie barrierefrei und für alle verständlich, zugänglich und durchlässig sind.

Die Vertretung der Interessen von diskriminierten Gruppen ist eine Gemeinschaftsaufgabe. In unserer gesamten Programmatik berücksichtigen wir die unterschiedlichen Lebensrealitäten und deren Bedarfe. Diese wollen wir auf allen Ebenen sichtbar machen und sie politisch abbilden.

Durch solidarische Bündnisse unterstützen Bündnis 90/Die Grünen Vertretungen diskriminierter Gruppen und ihr zivilgesellschaftliches Engagement.

Alle Untergliederungen und Teilorganisationen sowie Gremien und Versammlungen sind dazu angehalten, diese Ziele zu achten und zu stärken.

§1 Repräsentation

(1) Wir wollen, dass sich die vielfältigen Perspektiven der gesamten bayerischen Gesellschaft in unserer Partei abbilden. Die Repräsentation von diskriminierten Gruppen mindestens gemäß ihrem gesellschaftlichen Anteil auf allen Ebenen ist unser Ziel.

(2) Auf Grundlage der wissenschaftlich fundierten Evaluierung, die die Bundesebene alle zwei Jahre durchführt, beobachtet der Landesvorstand kontinuierlich, inwiefern sich die Vielfalt der Gesellschaft in der Zusammensetzung der Amts-/Mandatsträger*innen und Mitarbeiter*innen auf Landesebene widerspiegelt und welche Diskriminierungserfahrungen es gibt. Alle zwei Jahre werden die Ergebnisse auf der LDK vorgestellt und diskutiert.

Der Landesvorstand beobachtet darüber hinaus auch die Entwicklung auf kommunaler Ebene.

(3) Der Landesvorstand entwickelt Instrumente wie etwa Diversity-Trainings, Empowerment-Maßnahmen oder Leitlinien zur Aufstellung von Wahllisten, um dem in Absatz 1 genannten Ziel näher zu kommen.

§2 Versammlungen

(1) Präsidien werden divers besetzt, das bedeutet, dass sie die Vielfalt der Gesellschaft widerspiegeln sollen.

(2) Bei Veranstaltungen, die von Bündnis 90/Die Grünen organisiert werden, wird darauf geachtet, dass die Referent*innen die Vielfalt der Gesellschaft widerspiegeln.

(3) Alle Veranstaltungen von Bündnis 90/Die Grünen sind grundsätzlich barrierefrei zu gestalten. Näheres regelt der Leitfaden für Inklusion bei Bündnis 90/Die Grünen.

§3 Einstellung von Arbeitnehmer*innen

(1) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wird als Arbeitgeber*in die Gleichbehandlung von Menschen, die diskriminierten Gruppen angehören, bzw. diesen Gruppen zugeschrieben werden, sicherstellen. Bei bezahlten Stellen soll sich auf allen Qualifikationsebenen die Vielfalt der Gesellschaft widerspiegeln.

(2) Dazu sind Ausschreibungsverfahren so zu gestalten, dass Menschen, die diskriminierten Gruppen angehören, bzw. diesen Gruppen zugeschrieben werden, besonders angesprochen werden.

(3) In Bereichen, in denen Menschen, die diskriminierten Gruppen angehören, unterrepräsentiert sind, werden diese bei Einstellungen bei gleicher Kompetenz bevorzugt.

(4) Bei der Zusammenarbeit mit Partner*innen und Dienstleister*innen wird darauf geachtet, dass diese diskriminierungsfrei und vielfaltsorientiert arbeiten.

§4 Empowerment und Weiterbildung

(1) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN schafft Angebote zum Empowerment von diskriminierten und unterrepräsentierten Gruppen.

(2) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN schafft Angebote für die diversitätspolitische und diskriminierungskritische Aus- und Weiterbildung der Amtsträger*innen und Führungskräfte der Partei.

(3) Der Landesverband stellt für diese Aufgaben ausreichend Mittel und Personalressourcen zur Verfügung. Der Landesvorstand stellt dies sicher.

(4) Das Vielfaltsreferat entwickelt so bald wie möglich in Zusammenarbeit mit dem Landesvorstand, dem Landesausschus, der LAG Inklusion und Behindertenpolitik, der LAG Integration, Flucht und Migration, der LAG Queer.Grün.Bayern, der LAG Gesundheit und Soziales, der LAG Bildung, der LAG Frauen- und Gleichstellungspolitik, der LAG SilberGRÜNE und der Grünen Jugend weitere Strukturen wie einen Vielfaltsrat oder etwas Vergleichbares, um den Prozess dauerhaft zu begleiten, voranzubringen und nachhaltig in der Partei zu verankern; dabei werden Bundestags- und Landtagsfraktion eingebunden.

Innerparteiliche Strukturen

§5 Landesarbeitsgemeinschaften

(1) Zu den für Vielfalt zuständigen Gremien gehören die LAG Inklusion und Behindertenpolitik, die LAG Integration, Flucht, Migration, die LAG Queer.Grün.Bayern, die LAG Gesundheit und Soziales, die LAG Bildung, die LAG Frauen- und Gleichstellungspolitik und die LAG SilberGRÜNE.

(2) Anträge der oben genannten LAGen unterliegen bei einem Ranking von Anträgen bei der Landesdelegiertenkonferenz und dem kleinem Parteitag keinem Mindestquorum.

(3) Vielfalt ist gleichzeitig ein Querschnittsthema für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, das von allen Landesarbeitsgemeinschaften bearbeitet werden soll.

§6 Vielfaltsreferat

(1) In der Landesgeschäftsstelle wird ein Vielfaltsreferat eingerichtet. Hierzu stellt der Landesvorstand eine*n Vielfaltsreferent*in ein.

(2) Das Vielfaltsreferat wird mit einem Budget finanziell und materiell angemessen ausgestattet.

(3) Das Vielfaltsreferat entwickelt in Zusammenarbeit mit dem Landesvorstand und dem Bundes- Diversitätsrat Maßnahmen, die zur angestrebten gleichberechtigten Teilhabe und der Repräsentanz von diskriminierten Gruppen und Menschen innerhalb von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und in der Gesellschaft beitragen.

(4) Das Vielfaltsreferat entwickelt so bald wie möglich in Zusammenarbeit mit dem Landesvorstand, dem Landesausschuss, der LAG Inklusion und Behindertenpolitik, der LAG Integration, Flucht und Migration, der LAG Queer.Grün.Bayern, der LAG Gesundheit und Soziales, der LAG Bildung, der LAG Frauen- und Gleichstellungspolitik, der LAG SilberGRÜNE und der Grünen Jugend weitere Strukturen wie einen Vielfaltsrat oder etwas Vergleichbares, um den Prozess dauerhaft zu begleiten, voranzubringen und nachhaltig in der Partei zu verankern; dabei werden Bundestags- und Landtagsfraktion eingebunden.

(5) Der*die Vielfaltsreferent*in hat Zutritts-, Einsichts- und Mitspracherecht in allen landesweiten Gliederungen von Gremien, Organen und Komissionen.

§7 Delegation in den Bundes-Diversitätsrat

(1) Die beiden Delegierten und Ersatzdelegierten für den Landesverband Bayern werden durch die Landesdelegiertenversammlung entsandt und werden für 2 Jahre gewählt. Ein*e Delegierte*r soll dem Landesvorstand angehören. Die Delegation erfolgt mindestquotiert. Bei der Delegation ist die Repräsentanz der Vielfalt der Gesellschaft zu beachten;

(2) Die Delegierten geben dem Landesauschuss einen Bericht.

§8 Geltung

(1) Das Vielfaltsstatut ist Bestandteil der Satzung des Landesverbands von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Es tritt am Tag seiner Beschlussfassung in Kraft.

(2) Die Bezirks- und Kreisverbände unterstützen den Vielfaltsprozess des Landesverbands und fördern die Maßnahmen vor Ort.

beschlossen durch die Landesversammlung am 6./7. November 2021 in Augsburg.