Beschluss der Landesdelegiertenkonferenz am 6.11.2021
Bayern kann Innovationsführer werden – als erstes Bundesland ohne Müll. Moderne und innovative Recyclingtechnologien machen bayrische Unternehmen zu Weltmarktführern. Unsere Vision: spätestens ab 2050 produzieren deutsche Unternehmen nur noch Produkte, die langlebig, mehrfach verwendbar und vollständig recycelbar sind. Voraussetzung dafür ist bundesweit ein neues Produktrecht, in dem produktbezogene Mindesteinsatzquoten für Rezyklate, eine Positivliste für Materialien oder ein digitaler Produktpass mit allen kreislaufrelevanten Informationen zum Standard wird.
Bayern hat aber jetzt schon die große Chance, mit ersten Schritten deutschlandweit zum Vorbild zu werden. Gerade der innovationsstarke bayrische Mittelstand hat hier die Chance, Maßstäbe zu setzen und seine Wettbewerbsfähigkeit zu steigern.
In Bayern werden bislang aber nur über die Hälfte aller Abfälle recycelt oder für die Energieerzeugung genutzt. Eine echte Kreislaufwirtschaft bedeutet jedoch, Produkte länger zu verwenden, vollständig zu recyceln und die Sekundär- bzw. Recycling-Rohstoffe auch zu nutzen.
Vor allem Kunststoff- und Fahrzeugindustrie verbrauchen große Mengen von fossiler Energie und Rohstoffstoffen. Bayern muss diesen Industriezweigen echte Optionen anbieten, um auf andere Verfahren umsteigen zu können. Ein bundesweit aufgesetztes Programm mit Klimaverträgen für den Einsatz von Sekundärrohstoffen oder den Umbau hin zu klimaneutralen Produktionsweisen könnte einen entscheidenden Anstoß geben. Gerade für die bayerische Chemie-, Ziegel- und Zementindustrie würde dies erhebliche Chancen bieten.
Eine Rohstoffwende ist für den Klimaschutz und die Einhaltung der planetaren Belastungsgrenzen unumgänglich – sie birgt aber auch enorme Chancen für Wirtschaft und Beschäftigung. Schon jetzt arbeiten rund 44.000 Erwerbstätige in Bayern in der Kreislaufwirtschaft. Die Branche bietet gerade für die Zukunft großes Potenzial, wenn Bayern die richtigen Rahmenbedingungen setzt.
Gerade für die in Bayern starken Unternehmen im Maschinen- und Anlagenbau sowie Start-ups im Bereich Umwelttechnologie bietet die Kreislaufwirtschaft große Marktchancen. Mittelständische Unternehmen, die in der Kreislaufwirtschaft bereits stark aufgestellt sind, schaffen insbesondere auch in den ländlichen Regionen Bayerns Wertschöpfung und Arbeitsplätze.
Kreislaufwirtschaft fürs Klima
Der Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft in Europa kann bis zu 50 Prozent der CO2-Emissionen in materialintensiven Industrien und Wertschöpfungsketten reduzieren. Die Einbeziehung der Gewerbeabfallverordnung in das Gesamtsystem einer Kreislaufwirtschaft ist unabdingbar. Das Beispiel des energieintensiven Bausektors zeigt: bei der Produktion von Zement, Ziegeln und Stahl sind fossile Energieträger nur schwer zu ersetzen. Gerade Baustoffe müssen mitgedacht werden und Ziel muss es sein, möglichst nachhaltig zu bauen. Je mehr Gebäude wir sanieren statt abreißen, je mehr wir recyceln und je weniger wir endliche Ressourcen verschwenden, desto eher erreichen wir ein zukunftsfähiges Wirtschaften. Ein Abbau der Ausnahmen bei den Sortierquoten stärkt den Klima- und Ressourcenschutz. Wir müssen einerseits zu einer klimaneutralen Produktion von Rohstoffen kommen, zum anderen aber müssen deutlich mehr recycelte Baustoffe eingesetzt werden. Eine Kreislaufwirtschaft, die auf die Reduzierung der Stoffströme ausgerichtet ist, würde unsere Ökosysteme schonen sowie Klimaerhitzung und Vernichtung von Biodiversität vermeiden.
Rohstoffe sind endlich
Mit Blick auf den enormen Preisdruck etwa auf Baustoffe wie Holz wird klar: wir müssen unseren Wohlstand vom Verbrauch der Rohstoffe dringend entkoppeln. Eisenerz ist derzeit so teuer wie noch nie, die Engpässe beim Holz führen zu ernsthaften Problemen, insbesondere für Mittelständler und auch kleine Handwerksunternehmen. Der Anstieg der Rohstoffpreise ist eine enorme Belastung für die Unternehmen, egal ob für kleine Zimmererbetriebe oder die Industrie.
Seit den 1970er-Jahren hat sich der Verbrauch an natürlichen Ressourcen verdreifacht. Die Internationale Energieagentur befürchtet, dass mineralische Rohstoffe für unser künftiges Energiesystem knapp werden könnten. Bayerns Außenhandel mit Rohstoffen und Rohmaterialien ist seit 2008 stark angestiegen, allein von 2016 auf 2017 stieg der Rohstoffimport um eine Milliarde Euro an. Wir brauchen also eine strategische Planung und Sicherung der Bedarfsdeckung für Rohstoffe. Eine wichtige Stellschraube für die Rückgewinnung von Rohstoffen durch die Erhöhung von Recyclingquoten ist dabei die Standardisierung von Verfahren und Materialien, wie bspw. Verpackungsmaterialien.
Investitionen in lokale und regionale Produktionsstätten und vor allem eine funktionierende Kreislaufwirtschaft sichern auch die Lieferketten der Zukunft, schließlich können Metalle, anders als Erdöl, immer wieder recycelt und genutzt werden.
Wir setzen deshalb auf eine menschenrechtsorientierte und nachhaltige Rohstoffpolitik. Im Fokus müssen Materialeinsparung und Wiederverwertung stehen
sowie eine ambitionierte Sammlung und Aufbereitung von Rohstoffen – eine echte Kreislaufwirtschaft also. Das bedeutet für die Gesellschaft nicht nur ein Leben ohne Müll, es bietet auch für die Wirtschaft eine verlässliche Perspektive.
Unsere Vorschläge für ein müllfreies Bayern:
- Bayern legt einen Aktionsplan zur (lokalen) Sammlung, Wiederaufbereitung und Recycling von Elektrokleingeräten und Akkus auf, da hier die Recyclingquoten derzeit besonders niedrig sind.
- Das Land soll Kommunen bei der Einführung einer Wertstofftonne mit Know-how und Zuschüssen unterstützen
- Förderprogramm für Bauen ohne Müll: die nachhaltige Sanierung von Bestandsobjekten und Neubauten, die eine Mindestquote für den Einsatz an Recyclingmaterial erfüllen, solle über ein neues Förderprogramm „Bauen ohne Müll“ unterstützt werden. Bauen soll künftig dem Prinzip Cradle-to-Cradle folgen, die enormen Potenziale des Urban Mining müssen besser ausgeschöpft werden. Bei der Ausarbeitung des Förderprogramms sollen die Ergebnisse der Forschungsinitiative „Zukunft Bau“ als Grundlage genommen werden. Wo der Freistaat selbst Bauherr ist, müssen diese zum Standard werden.
- Die erfolgreichen Pilotversuche und Modellprojekte des Projektverbunds „ForCYCLE“ sollen in die allgemeine Praxis ausgerollt werden, um innovative Technologien und Produktionsverfahren für mehr Ressourceneffizienz in der bayerischen Wirtschaft zu forcieren.
- Öffentliche Beschaffung auf Kreislaufwirtschaft ausrichten: Bund, Länder und Kommunen beschaffen jährlich Produkte im Volumen von mehreren Hundert Milliarden Euro. Bayern muss seine Kaufkraft nutzen, um die Beschaffung auf langlebige, kreislauftaugliche, fair hergestellte und recycelte Produkte auszurichten. Die Kommunen werden aufgefordert, bei ihren Bauprojekten möglichst viel recycelte Baustoffe zu verlangen. Hauptangebote oder Nebenangebote mit Recycling-Baustoffen müssen bei der Vergabe mindestens gleichbehandelt werden. Ein bundesweit festgelegtes Recyclinglabel und Produktpässe erleichtern die Beschaffung. Der öffentliche Vergabeprozess benötigt eine Strategie zur Stärkung ökologischer, sozialer und menschenrechtlicher Kriterien. Es gilt die öffentlichen Beratungsstellen für nachhaltige Beschaffung zu stärken und mit mehr Personal und einem erweiterten Kompetenzspektrum auszustatten. Der Freistaat muss eine zentrale Informationsstelle für die öffentliche Stadtplanung und den Einsatz von Rezyklaten einrichten.
- Leuchtturmprojekte über Ausschreibungen bezuschussen: In Bayern gibt es viele gute Ideen, nicht alle schaffen es bis zur Umsetzung. Ein positives Beispiel ist die Wasserstoffgewinnung mittels Gülle, Biomüll und Klärschlamm. Wir wollen gute Ideen stärken und Chancen eröffnen und ein Landesprogramm für innovative Leuchtturmprojekte beim Recycling und der Kreislaufwirtschaft aufsetzen.
- Bayerns Sonderweg bei der Mantelverordnung beenden: Bayerns Extrawurst bei der Mantelverordnung in Form einer Länderöffnungsklausel darf nicht zur Anwendung kommen. Bauschutt gehört nicht in Gruben, sondern in abgedichtete Mülldeponien – alle anderen Bundesländer haben das erkannt. Dass der schwach belastete Bauschutt immer noch in Kiesgruben verfüllt werden darf, sorgt auch dafür, dass zu wenig recycelt wird. Die Wiederverwendung und Bevorzugung des werkstofflichen Recyclings müssen gegenüber der energetischen Verwertung Vorrang bekommen.
- Digitalisierung der Entsorgungswirtschaft fördern: Die Entsorgungswirtschaft braucht dringend ein Update in der Digitalisierung ihrer Prozesse. Bayern muss eine koordinierende Rolle einnehmen und Förderangebote bereitstellen: Der flächendeckende Einsatz moderner Telematik- und Sensorik-Lösungen sowie entsprechende geförderte Fort- und Weiterbildungen könnten die Sammlung und Sortierung verbessern und Ressourcenverschwendung verhindern. Mit der Einführung eines einheitlichen Messverfahrens kann genauer ermittelt werden, wie viele Wertstoffe tatsächlich im Kreislauf geführt werden. Der von uns vorgeschlagene digitale Produktpass wird die Sammlung, Trennung und Wiederaufbereitung und -verwendung künftig deutlich leichter machen.
- Forschung voranbringen: Wir wollen die Forschungsförderung für die Kreislaufwirtschaft in öffentlichen und privaten bayerischen Forschungseinrichtungen sowie den Transfer in die praktische Anwendung stärken.
- Entwicklung von Mehrwegsystemen unterstützen: kommunale Vorreiterprogramme und bundesweite Systeme müssen gleichermaßen über eine bundesweite Einwegabgabe unterstützt werden, öffentliche Einrichtungen in Bayern sollen sofort auf Mehrwegsysteme umsteigen.
- Unternehmen bei der Umstellung fördern: Im Bund brauchen wir zügig ein Programm für Klimaverträge, um Unternehmen auf dem Weg hin zur Klimaneutralität zu unterstützen. Über so genannte Carbon Contracts for Difference rechnet sich die Investition in neue Verfahren und Technologien schon heute.
- Im Bund ein Innovationsprogramm für die beste Recyclingtechnik auf den Weg bringen: Dieses Programm beinhaltet erstens einen Investitionszuschuss für den Einsatz modernster Recyclingtechnologien und zweitens die Festschreibung von technischen Mindestanforderungen für Anlagen zur Sortierung und Recycling von Abfällen etwa im Kreislaufwirtschaftsgesetz, der Gewerbeabfallverordnung oder dem Verpackungsgesetz. Für die einzelnen Abfallfraktionen werden eigenständige Recyclingquoten benötigt, die sich am Stand der Technik orientieren und dynamisch weiterentwickeln.
- Im Bund und auf EU – Ebene für eine recyclingfördernde Kostenstruktur in den Unternehmen sorgen: Solange es billiger ist Ressourcen zu verbrauchen wird der Markt nicht auf eine Kreislaufwirtschaft umsteigen. Deshalb benötigt die Wirtschaft zB. Abgaben auf Rohstoffverbrauch; Förderungen für Recycling; Schutzzölle auf Produkte von Wettbewerbern außerhalb der EU, die sich nicht an Recyclingquoten halten etc.
Beschluss als PDF.
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