Beschluss auf der Landesdelegiertenkonferenz 2024 in Lindau
Europa bietet Frieden, Freiheit und Sicherheit – nicht nur den EU-Bürger*innen, sondern auch Menschen, die vor Krieg, Terror und politischer Verfolgung aus Heimatländern wie der Ukraine, Afghanistan oder Syrien fliehen müssen.
Eine Asyl- und Migrationspolitik der Humanität ist Deutschlands historische, grundgesetzliche und völkerrechtliche Verpflichtung. Wir Grüne Bayern werden niemals unsere Verantwortung, unsere Menschlichkeit und unsere Empathie aufgeben. Im Zentrum unserer Politik steht immer der Mensch in seiner Würde und Freiheit.
Die Menschenrechte stehen über allem und sie gelten uneingeschränkt für alle. Wir stehen unverhandelbar zum Recht auf Asyl. Wer vor Gewalt, Krieg und Terror flieht, muss Schutz und Hilfe in unserem Land bekommen. Dafür werden wir immer und unnachgiebig kämpfen.
Wir nehmen den einzelnen Menschen in den Mittelpunkt, wir sehen das Leid, und wir helfen, wo es nötig ist. Diese Politik des Handelns und Anpackens sichert die Akzeptanz der Bürger*innen.
Wir wissen, dass die humane Aufnahme Schutzsuchender eine moralische Verantwortung und Migration für unsere Gesellschaft nötig ist, Steuerung, Ordnung und Abschiebungen jedoch zur Realität eines Einwanderungslandes wie Deutschland dazu gehören.
Wir setzen uns für mehr legale und sichere Wege zu uns ein, denn sie sind das Gegenteil der menschenfeindlichen Festung Europa ebenso wie das Gegenteil unkontrollierter Grenzen. Zugleich bekämpfen wir Fluchtursachen konsequent und umfassend, denn niemand sollte zum Verlassen der Heimat gezwungen werden.
Wir verteidigen das individuelle Grundrecht auf Asyl und stehen zu unseren Verpflichtungen aus der Genfer Flüchtlingskonvention. Dieses Bekenntnis wollen wir mit Leben erfüllen: Mit einer pragmatischen Politik, die reale Probleme anpackt und echte Lösungen entwickelt.
Bayern hat rund 150.000 geflüchtete Ukrainer*innen und im Jahr 2023 weitere 50.000 Asylsuchende aufgenommen, der Großteil hat eine dauerhafte Bleibeperspektive.
Von allen Menschen, die hier leben – egal ob hier geboren oder erst vor kurzem hierhergekommen – erwarten wir, dass sie die Rechte aller respektieren. Rassismus, Antisemitismus, Muslimfeindlichkeit und Frauenfeindlichkeit haben in Bayern und Deutschland keinen Platz und alle Menschen dürfen leben und lieben, wen und wie sie wollen.
Bürgermeister*innen und Landrät*innen, Verwaltungen in den Kommunen, Unternehmen und unzählige Freiwillige und zivilgesellschaftliche Organisationen arbeiten seit Jahren hart daran, Unterkünfte zu finden, den Geflüchteten eine psychosoziale Beratung anzubieten, mit Rechtsberatung faire Verfahren zu garantieren und unter anderem mit Sprachkursen und Arbeitsplätzen eine schnelle Integration und bessere Teilhabe zu ermöglichen. Für diese große Leistung gilt ihnen unser Dank! Aber Dank ist nicht genug. Es braucht auch eine tatkräftige Unterstützung der Kommunen, Ehrenamtlichen und Unternehmen.
Unsere Erfolge im Bund
Die Bundesregierung sorgt für eine dauerhafte, strukturelle Finanzierung durch den Bund, sodass Länder und Kommunen eine bessere Planungssicherheit haben und die Kommunen, die Beschluss auf der Landesdelegiertenkonferenz 2024 in Lindau 2 besonders viele Geflüchtete versorgen, auch mit mehr Geld unterstützt werden. Wir wollen die Aufnahmekapazitäten dauerhaft erhalten und vorhalten. Die Bundesregierung hat zudem den Spurwechsel für Geduldete aus der Asyl- in die Erwerbsmigration geschaffen. Arbeit und Beschäftigung ist der stärkste Motor für Integration und stärkt zudem unsere Unternehmen, die händeringend nach Arbeits- und Fachkräften suchen. Für uns gilt: Wer arbeiten kann, soll es auch dürfen. Wer hierher kommt, soll seinen Lebensunterhalt auch möglichst schnell selbst verdienen können. Deshalb sollten Arbeitserlaubnisse zügig und für längere Zeiträume erteilt und bürokratische Hürden wie die behördlichen Zustimmungserfordernisse abgeschafft werden.
Was Bayern jetzt tun muss
Für eine gelungene Migrationspolitik, Integration und bessere Teilhabe muss endlich auch Bayern handeln. Wir fordern Soforthilfen für die Kommunen bei der Unterbringung und Versorgung von Geflüchteten in Höhe von 500 Millionen Euro aus dem bayerischen Landeshaushalt.
Hilfen des Bundes müssen unverzüglich an die Kommunen weitergeleitet werden. Mit der Errichtung kommunaler, alle Ebenen verzahnender Integrationszentren wollen wir die Integration vereinfachen und die individuellen Menschen in den Blick nehmen. Wir fordern eine Stärkung der Ausländerbehörden, schnellere Anerkennung von ausländischen Qualifikationen, und Beratungsstellen für Geflüchtete in ganz Bayern. Integrationsprozesse können digital schneller und reibungsloser erfolgen. Bayern muss die Vernetzung und Finanzierung dafür stellen. Das Angebot für Sprachkurse und auch von begleitender Kinderbetreuung muss in Bayern ausgebaut werden, denn sie sind Grundbedingung für Integration und bestmögliche Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Bayern muss wie der Bund eigene Immobilien für die Unterbringung von Geflüchteten bereitstellen. Eine dezentrale Unterbringung der Schutzsuchenden ist grundsätzlich vorzuziehen. Wenn Menschen die Möglichkeit haben, aus Erstaufnahmezentren, Gemeinschafts-oder Übergangsheimen auszuziehen, muss dies gestattet und unterstützt werden.
Bei der Zuweisung in Kommunen sollen familiäre Beziehungen geachtet werden, denn persönliche Kontakte erleichtern das Ankommen und entlasten Kommunen und Helfer*innenkreise.
Die Größen weiter benötigter Gemeinschafts- und Übergangswohnheime müssen im Verhältnis zu Größe des Orts stehen, mit maximal 75 Untergebrachten für eine menschenwürdige Unterbringung. Die überholten AnkER-Zentren in Bayern wollen wir auflösen. Wir fordern die Staatsregierung auf, das neue Chancenaufenthaltsrecht der Bundesregierung im Sinne der Geduldeten und der bayerischen Unternehmen anzuwenden und die Abschiebungen, von Menschen, die sich hier ein neues Leben aufbauen, endlich zu stoppen.
Für ein menschenrechtsbasiertes gemeinsames europäisches Asylsystem
Zu den Grundwerten der Grünen gehört ein klares Bekenntnis zu Europa. Europa ist stark und handlungsfähig, wenn es zusammensteht, solidarisch ist und seine Werte selbstbewusst vertritt – nach innen und nach außen. Abschottung ist für uns keine Option – weder in Bayern und noch an Europas Außengrenzen. Die großen Aufgaben unserer Zeit müssen grenzüberschreitend und europäisch angegangen werden. Das gilt insbesondere auch für das Handlungsfeld Flucht und Migration. Wir haben uns deshalb immer für ein gemeinsames europäisches Asylsystem eingesetzt, das wirksam, menschenrechtsbasiert und lösungsorientiert ist und das individuelle Recht auf Asyl wahrt.
Bei dem nun beschlossenen Kompromiss sehen wir mit großer Sorge, dass weiter Haftlager mit menschenunwürdigen Bedingungen an den Außengrenzen entstehen sollen und auch vulnerable Menschen in diesen inhaftiert werden sollen. Ebenso befürchten wir, dass durch das vorgesehene lückenhafte Menschenrechtsmonitoring. Gewalt an den Grenzen nicht verhindert wird und im „Krisenfall“ Rechte von Schutzsuchenden noch weiter beschränkt werden. Es gilt zu befürchten, dass durch die Umsetzung dieser Maßnahmen sowohl irreguläre Migration als auch Leid und Chaos an den europäischen Grenzen noch weiter zunehmen.
Deutschland hat in den letzten Jahren viel Verantwortung für Europa gezeigt und sehr viele Geflüchtete aufgenommen. In Zukunft müssen auch andere europäische Länder mehr Verantwortung übernehmen. Unser Ziel ist, dass alle schutzsuchenden Menschen, die zu uns kommen, an den Außengrenzen registriert und mit einem verbindlichen Mechanismus fair in Europa verteilt werden.
Nun kommt ein dauerhafter Solidaritätsmechanismus mit dem Ziel einer maßgeblichen Verbesserung der Verteilung als erster Schritt zu einem verbindlichen Verteilmechanismus.
Völkerrechtliche und europäische Verpflichtungen müssen eingehalten werden – das erwarten wir nicht nur von der Bundesrepublik Deutschland, sondern auch von allen anderen EU-Staaten. Wir Grüne setzen uns für eine möglichst vernünftige und humane Umsetzung der Rechtsakte ein. Außerdem gilt es nun umso mehr, Spielräume für Verbesserungen bei der nationalen Umsetzung zu nutzen.
Der Zustand der vergangenen Jahre an den europäischen Außengrenzen, das Leid, das Chaos, der menschenrechtswidrige Umgang mit Geflüchteten, die Gewalt gegen Schutzsuchende, die Menschenrechtsverletzungen von Staaten außerhalb und insbesondere innerhalb der EU, und das Sterben im Mittelmeer sind untragbar. Ordentliche Verfahren sind so nicht gewährleistet. Auch das treibt viele Menschen zu einer weiteren Flucht innerhalb Europas. Wir fordern, dass die EU die Einhaltung der Menschenrechte und rechtsstaatlicher Verfahren flächendeckend überwacht und Verstöße wie insbesondere Pushbacks und andere Gewalt gegen Schutzsuchende konsequent sanktioniert. Grenzverfahren dürfen nicht dazu führen, dass weitere Haftlager mit Zuständen wie in Moria an den Außengrenzen entstehen, die die Würde und die Rechte von Schutzsuchenden verletzen. Abschiebungen in Kriegs- und Krisengebiete wie zum Beispiel in den Iran, nach Syrien oder Afghanistan lehnen wir ab. Sowohl die zivile und staatliche Seenotrettung wollen wir stärken, besser koordinieren und ausreichend finanzieren und lehnen Kriminalisierungsversuche ab, denn das Sterben im Mittelmeer muss beendet werden. Die Zusammenarbeit mit gewalttätigen Milizen wie der sogenannten libyschen Küstenwache muss beendet werden.
Wir halten fest, dass Asylrechtsverschärfungen Probleme lediglich verlagern und dazu neue schaffen. Wir brauchen bessere Bedingungen für Geflüchtete und wirkliche europäische Solidarität statt Abschottung.
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