Beschluss auf der Landesdelegiertenkonferenz 2019 in Lindau
Wir wollen den öffentlichen Raum in unseren Dörfern, Städten und Gemeinden wiederbeleben, in ganz Bayern. Damit schaffen wir Orte der Begegnung, in denen sich alle Menschen auch außerhalb der eigenen vier Wände wohlfühlen, zusammenkommen, kommunizieren, Gemeinschaft erleben und Gesellschaft kultivieren können.
Wir wollen den öffentlichen Raum wieder so gestalten, dass Kontakte zwischen Nachbarn wieder zunehmen. Wir wollen öffentliche Räume schaffen, die Menschen einladen, wieder vermehrt herauszukommen aus der Anonymität im Eigenheim oder der Wohnung. Wir wollen Orts- und Stadtteilzentren stärken, die Geschäfte, Praxen, Kitas, Arbeitsplätze kompakt in wohnortnaher Entfernung bieten, sodass auch viele Autofahrten überflüssig werden. Wir wollen Leben statt Lärm auf die Straße bringen.
Wir wollen im öffentlichen Raum eine hohe Aufenthaltsqualität für alle schaffen: mit Grün und Wasser, einladenden Sitzmöglichkeiten, Spielplätzen, Veranstaltungsflächen, Sportplätzen, Fitnessanlagen für Jung und Alt, Marktständen, lokalem Gewerbe und Gastronomie, WLAN, Kunst, Trinkbrunnen, Toiletten, Ausstellungen, Bücherschränken, Fahrradstellplätzen usw. Damit fördern wir Beisammensein, Teilhabe und Zusammenhalt in der Gesellschaft.
Öffentlicher Raum: Das Wohnzimmer unserer Gesellschaft
Der öffentliche Raum hat in Städten genauso wie in Dörfern seit je her eine große Bandbreite an Aufgaben und Funktionen für das Zusammenleben in der Gesellschaft. Der öffentliche Raum, das heißt die Fläche zwischen unseren Häusern oder Gartenzäunen, aber auch öffentlich verfügbare Räume in Gebäuden ist der Ort, wo sich Menschen begegnen und damit soziale Teilhabe erleben. Vom Dorfanger bis zum Stadtplatz, von der Gasse bis zur Promenade dient der öffentliche Raum seit Jahrhunderten der Kommunikation, der Begegnung, dem Austausch. Im Gegensatz zum privaten Raum, der jemandem gehört, der das Hausrecht ausübt, dient der öffentliche Raum allen Menschen: offen, inklusiv, demokratisch. Egal ob alt oder jung, reich oder arm, alteingesessen oder neu zugezogen. Er ist das Angebot, die Einladung an alle Menschen, zusammenzukommen, sich kennenzulernen, zu kommunizieren, Kontakte zu pflegen, aber auch draußen zu verweilen, zu spielen, zu flanieren, zu genießen, zu handeln, zu konsumieren, zu demonstrieren – kurz: am öffentlichen Leben teilzuhaben. Der öffentliche Raum ist damit für jede*n ein zweites Wohnzimmer im Freien. Und er ist für uns alle das Wohnzimmer der Gesellschaft. Nicht zuletzt ist der öffentliche Raum ein wichtiger Ort des politischen Diskurses der Gesellschaft: Wahlkämpfe, Demonstrationen, Kundgebungen und Revolutionen finden im öffentlichen Raum statt. Der öffentliche Raum ist zutiefst demokratisch, denn er ist für alle da!
Den öffentlichen Raum zurückerobern – für alle!
Besonders auf dem Land sind Menschen mit eingeschränkter Mobilität und Menschen, die kein Auto fahren oder finanzieren können, darauf angewiesen, die nötige soziale und ökonomische Infrastruktur für das tägliche Leben in erreichbarer Entfernung zu haben, um nicht auf autofahrende Hilfe angewiesen zu sein. Wir wollen in unseren Dörfern und Städten aber allen Menschen attraktiven Aufenthalt im öffentlichen Raum bieten, auch denjenigen, die sich keinen Kaffee in einer Gaststätte leisten können oder wollen. Angebote zum kostenlosen und angenehmen Aufenthalt in der Öffentlichkeit sind eine Investition in eine lebendige und gerechte Gemeinschaft, ein wichtiger Beitrag zu Inklusion und Teilhabe.
Wir Grüne schaffen Lebensqualität vor der Haustüre
Öffentliche Räume bringen Menschen jedweder Herkunft, Geschlecht, sozialer Schicht und Alter zueinander und stiften Raum für Kommunikation, Austausch, Teilhabe und Zusammenhalt der Gesellschaft. Diese Kommunikation der Menschen ist das Lebenselixier für Demokratie und friedliches Zusammenleben.
Um das zu erreichen, ist es wichtig, dass sich die Politik der Entwicklung des öffentlichen Raums annimmt. Kommunen spielen dabei eine zentrale Rolle. Mit unserem 10-Punkte-Plan für den Öffentlichen Raum zeigen wir im Kommunalwahlkampf vor Ort mit konkreten Verbesserungsvorschlägen auf, wie hochwertige öffentliche Räume der Gesellschaft nützen und den Ort bereichern. Damit leisten wir einen Beitrag zur Entwicklung von mehr Lebensqualität in unseren Kommunen – sowohl im ländlichen Raum wie auch in unseren wachsenden Städten.
- Wir wollen den Platz im öffentlichen Raum neu verteilen. Das bedeutet konkret: Mehr Platz für Fuß- und Radverkehr, mehr Platz für schöne und artenreiche Grünflächen, saubere Luft, Verkehrssicherheit und Lärmschutz. Die Dominanz des motorisierten Verkehrs und der Parkplätze wollen wir zugunsten einer gerechteren und menschenfreundlicheren Aufteilung des öffentlichen Raumes zurückdrängen.
- Das Leitbild „Dorf bzw. Stadt der kurzen Wege“ ist unsere Maxime in der Siedlungsentwicklung. Wir wollen die Innenentwicklung stärken, statt immer mehr auf der „grünen Wiese“ bauen. Bei Bauprojekten müssen die Chancen ausgelotet werden, zugleich den öffentlichen Raum aufzuwerten.
- Die bayerische Städtebauförderung und das Dorferneuerungsprogramm wollen wir um ein Sonderprogramm zur Entwicklung des Öffentlichen Raums in Städten und Gemeinden von 5 Millionen Euro pro Jahr ergänzen und die Mittel beim Straßenbau einsparen.
- Mit einem Bundesprogramm „Bauflächenoffensive – 100.000 Dächer und Häuser Programm“ fördern wir die Aktivierung leerstehender Gebäude, um damit die Lebendigkeit der Ortskerne zu stärken. Künftig sollen grundsätzlich fehlende Innenentwicklungspotentiale vor der Ausweisung neuer Baugebiete nachgewiesen werden müssen. So reduzieren wir den Flächenverbrauch.
- Wir wollen unsere oftmals verwaisten und heruntergekommenen Bahnhöfe wieder zu lebendigen Treffpunkten entwickeln, die die Gemeinde oder den Stadtteil mit Kiosk oder Café, Warteraum und weiteren Dienstleistungen und Mobilitätsangeboten bereichern. Auch das stützt die Gemeinschaft vor Ort, dient dem Austausch der Menschen und bietet Mehrwert für die Lebensqualität.
- Wir fördern Gemeinde- und Vereinshäuser, in denen kulturelle, politische und soziale Initiativen einen Raum für Treffen finden, ohne dem Konsumzwang von Gaststätten ausgesetzt zu sein.
- Wir begrüßen die Initiativen zur Wiedereröffnung von Dorfläden als Zentrum für Kommunikation, Austausch und Nahversorgung im Dorf und wollen diese mit einer staatlichen Förderung anschieben.
- Wir wollen mehr Kunst und Kultur im öffentlichen Raum. Straßen- und Dorffeste, traditionsreiche kulturelle Umzüge, Prozessionen und Veranstaltungen prägen die Identität eines Ortes und stärken die Gemeinschaft. Wir wollen aber auch mehr Kunstprojekte, Denkmäler, Gestaltungen von Kindern und Jugendlichen in ganz Bayern, um dadurch den öffentlichen Raum bunter und lebendiger zu machen.
- Österreich, Schweiz, Frankreich, Belgien und viele andere Länder verwandeln Straßen und Plätze in „Begegnungszonen“ (Shared Space). Gehsteige und Fahrbahnen werden zusammengelegt, die Fläche gestalterisch aufgewertet. Autos, Fahrräder und Fußgänger*innen bewegen sich langsam und gleichberechtigt. Damit werden nicht nur vielfältige städtebauliche, sondern auch soziale (Kommunikation, Sicherheit, Wiederbelebung) und wirtschaftliche Ziele (Erhaltung mittelständischer Betriebe und Gastronomie, Tourismusförderung) verwirklicht. Deshalb wollen wir die Möglichkeit von Begegnungszonen für unsere Kommunen in der Straßenverkehrsordnung schaffen.
- Um auch in den immer heißeren Sommermonaten allen Menschen einen angenehmen Aufenthalt im Freien zu ermöglichen und lokale Extremtemperaturen zu vermeiden, wollen wir mehr Fassadenbegrünung, Ortsdurchgrünung, Schatten spendende Bäume und Wasser im öffentlichen Raum. Viele im Zuge des Straßenbaus verrohrte Bäche können wieder geöffnet und zum Vorteil von Natur und Mensch kleine grüne Oasen im Wohnumfeld werden.
- Wir wollen die Barrierefreiheit für den gesamten öffentlichen Raum in Bayern. Alle Menschen, auch Senior*innen, Kinder und Menschen mit Behinderungen sollen sich sicher und selbständig bewegen können. Ein barrierefreier öffentlicher Raum mit Nahversorgung im Wohnumfeld gibt Senior*innen und Menschen mit Behinderung die Möglichkeit, sich lange selbstbestimmt zu versorgen und zugleich am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben.
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