Kommunales

Kommunen stärken, Investitionen sichern und Klima schützen

Beschluss des Digitalen Kleinen Parteitags der bayerischen Grünen vom 11. Juli 2020

Unseren Städten, Gemeinden, Landkreisen und Bezirken kommt aktuell in dreifacher Hinsicht eine Schlüsselrolle zu. Sie sichern die kommunale Daseinsvorsorge ihrer Bürger*innen vor Ort, bewältigen die gesundheitlichen Herausforderungen der Corona-Pandemie und sorgen mit ihren Investitionen in Nachhaltigkeit und Klimaschutz dafür, dass wir zwei Krisen zusammen denken und lösen können: die Corona-bedingte Konjunkturkrise und die fortschreitende Klimakrise.

Mit Schulgebäuden, Kitas und der Abfallentsorgung stellen unsere Kommunen die elementare Infrastruktur. Mit Bussen und Bahnen sorgen sie für die Mobilität ihrer Bürger*innen. Mit ihren vielfältigen freiwilligen Aufgaben vor allem im Bereich von Sport und Kultur tragen sie entscheidend zur Lebensqualität vor Ort bei. In der Corona-Krise haben Städte, Gemeinden, Landkreise und Bezirke mit ihren Krankenhäusern und Gesundheitsämtern einen wesentlichen Beitrag dazu geleistet, die Pandemie in den Griff zu bekommen. Auch in der Phase der schrittweisen Lockerungen und eines abklingenden Infektionsgeschehens ist die lokale Ebene von entscheidender Bedeutung. Denn durch ihre Investitionen in Klimaschutz und Nachhaltigkeit können die Kommunen als größter öffentlicher Investitionsträgereinen wichtigen Beitrag zur schnellen konjunkturellen Belebung leisten. Mit ihren vielfältigen politischen Gestaltungsmöglichkeiten von der Organisation des öffentlichen Nahverkehrs bis zur Stadtentwicklung sitzt die kommunale Hand an wichtigen Hebeln zur Bewältigung der Klimakrise. Ihre Nähe zu den Bürger*innen und ihre guten Kenntnisse der lokalen Begebenheiten sind dabei von großem Vorteil.

Obwohl die lokale Ebene eine wesentliche Rolle spielt, haben Bundesregierung und bayerische Staatsregierung die Städte, Gemeinden, Landkreise und Bezirke viel zu lange im Unklaren darüber gelassen, ob und in welcher Form es überhaupt Hilfen geben soll. Die Kommunen brauchen aber Planungssicherheit. Denn um ihre drei Kernaufgaben – Daseinsvorsorge, Gesundheitsschutz und Klimaschutz – kraftvoll schultern zu können, ist die kommunale Ebene krisenbedingt auf die Unterstützung von Bund und Land angewiesen. Deswegen müssen die Hilfen nun schnell beschlossen werden. Wir müssen die Kommunen gemeinsam in der Krise und nach der Krise finanziell auf sichere Beine stellen.

Corona-bedingte Einnahmeausfälle und Mindereinnahmen kompensieren

Die Corona-Pandemie und der daraus folgende Lockdown haben unsere Städte, Gemeinden, Landkreise und Bezirke besonders hart getroffen und vor enorme Herausforderungen gestellt. Die Folgen des Lockdowns machen sich nicht nur in den wenigen verschuldeten und finanzschwachen bayerischen Kommunen bemerkbar, die bereits vor der Krise unter Haushaltssicherung standen oder unter einem hohen Investitionsstau litten. Auch in den Haushalten der finanzstarken bayerischen Kommunen sind die Folgen des Lockdown deutlich spürbar. Vielfach bleiben die Fixkosten bestehen, während die Einnahmen sinken und die Ausgaben steigen. So muss die lokale Ebene auch weiterhin für den Betrieb von Kitas, Museen, Theatern, Bibliotheken oder des ÖPNV aufkommen. Gleichzeitig ist sie aber mit wegfallenden oder zumindest sinkenden Steuereinnahmen, Gebühren und Eintrittsgeldern konfrontiert – auch in Zeiten der schrittweisen Lockerungen. Kitas, Kultur- und Sporteinrichtungen, aber auch Hotels und Gaststätten waren wochenlang geschlossen. Gleichzeitig müssen die Kommunen auch in der Krise ihre Leistungen – häufig mit reduziertem Personal – aufrechterhalten: von der Jugendhilfe über die Sozialämter bis hin zu den Standesämtern. Sie müssen Rechnungen begleichen und Bauanträge bearbeiten. Auch der ÖPNV hat ein reduziertes Angebot beibehalten, aber Ticketkontrollen ausgesetzt.

Vor allem die steuerlichen Einnahmeausfälle treffen Städte, Gemeinden, Landkreise und Bezirke hart: Viele Betriebe mussten ihre Produktion zeitweise einstellen oder reduzieren. Auch in absehbarer Zeit wird die Produktion nicht wieder das Vorkrisenniveau erreichen. Darüber hinaus führen steuerliche Erleichterungen für Unternehmen zu Einbußen bei den Kommunen. In der Folge bricht die Gewerbesteuer als wichtigste Einnahmequelle der kommunalen Hand gerade dramatisch ein und wird sich aller Voraussicht nach auch in den Folgejahren nur langsam erholen. Die jüngste Steuerschätzung von Mai geht deutschlandweit allein in diesem Jahr von einem Rückgang bei der Gewerbesteuer gegenüber 2019 um mehr als 13,7 Mrd. Euro aus. Nach dieser Prognose wird die Gewerbesteuer erst 2024 wieder das Niveau von 2019 erreichen. Gerade auch in Bayern ist die Gewerbesteuer drastisch eingebrochen. Hart getroffen hat das vor allem die stark touristischen bayerischen Regionen. Auch die Einnahmen aus den kommunalen Einkommen- und Umsatzsteueranteilen werden zurückgehen. Für uns Grüne ist klar, dass Bund und Land gemeinsam die Gewerbesteuerausfälle für dieses Jahr komplett übernehmen müssen. Auf Basis der außerplanmäßigen Steuerschätzung im September ist außerdem zu prüfen, ob Bund und Länder die Kommunen auch in den Folgejahren für die Corona-bedingten Gewerbesteuer-Mindereinnahmen kompensieren sollten.

Die Bayerischen Bezirke, die gerade jetzt in Pandemiezeiten mit ihren Aufgaben für psychische Gesundheit und Inklusion im Fokus stehen, haben seit jeher eine prekäre Finanzierung. Eine der Hauptfinanzierungsquellen der dritten kommunalen Ebene ist die Bezirksumlage, die sie von den Landkreisen und kreisfreien Städten erheben. Steuerliche Mindereinnahmen bei Städten, Gemeinden und Landkreisen werden in absehbarer Zeit damit auch die Bezirke treffen, die damit nur die Möglichkeit hätten, die Hebesätze der Bezirksumlage zu erhöhen. Um die Finanzierung der Aufgaben der Bezirke in Gesundheits- und Sozialwesen, aber auch in der Pflege und der Kulturarbeit sicherzustellen, brauchen die Bezirke stattdessen eine dauerhafte, planbare Finanzierung, die nicht auf Kosten der umlagezahlenden Kommunen geht. Bis dahin müssen die Zuweisungen, die die Bezirke gem. Art 15 BayFAG vom Freistaat erhalten, deutlich ansteigen, um den Bezirken eine substantiellen finanzielle Entlastung bei ihrer Arbeit geben zu können. Zudem fordern wir eine konsequente Anwendung des Konnexitätsprinzips: wenn Bundes- und Landesgesetze durch die Kommunen umgesetzt werden sollen, müssen der Bund oder der Freistaat diese Aufgaben auch finanzieren und können hier nicht die Kommunen im Regen stehen lassen und die Pflicht-aufgaben erhöhen ohne die Kommunen dafür zu kompensieren.

Neben diesen Einnahmerückgängen steigen gleichzeitig die kommunalen Ausgaben für krisenbedingte Sofortmaßnahmen. Die Landkreise mussten ihre Gesundheitsämter personell aufstocken und zusätzlich ausstatten, die kommunalen Krankenhäuser mussten sich auf die neue Situation einstellen. Auch die Kosten der Unterkunft und Heizung nach SGB II (KdU) nehmen in der Krise deutlich zu und werden aller Voraussicht nach auch in den nächsten Monaten weiter steigen, weil der Zugang zur Grundsicherung für Selbstständige erleichtert wurde. Dass der Bund die Kommunen jetzt im Zuge des Konjunkturpakets bei den sozialen Kosten dauerhaft stärker entlasten will, unterstützen wir Grüne ausdrücklich. Der Bund greift damit eine langjährige Forderung von uns Grünen auf. Es ist richtig, dass der Bund seine Beteiligung an den Kosten der Unterkunft dauerhaft auf 75 Prozent erhöhen und dadurch finanzschwache Kommunen aber auch Landkreise und kreisfreie Städte mit einem hohen Mietenniveau entlasten will. Wir Grüne im Bund und in Bayern unterstützen daher die dafür notwendige Grundgesetzänderung für die Anhebung der Grenze zur Bundesauftragsverwaltung auf 75 Prozent.

Auch kommunale Unternehmen in besonders vom Lockdown betroffenen Wirtschaftsbereichen wie Messen, Veranstaltungszentren und Kultureinrichtungen, aber auch Verkehrsbetriebe, Bäder und Museen sind durch Einnahmeausfälle bei fortlaufenden Kosten zum Teil in ihrer Existenz bedroht. Dabei stellen sie den Bürger*innen elementare Leistungen der Daseinsvorsorge zur Verfügung. Deswegen müssen sie un-eingeschränkten Zugang zu den bereits beschlossenen Hilfs- und Kreditprogrammen bekommen. Eine Benachteiligung gegenüber privaten Unternehmen ist nicht nachvollziehbar. Kommunale Unternehmen sind gerade auch in der Krise unverzichtbar für das Leben vor Ort.

Kommunen als größten Investitionsträger stärken und kommunalen Klimaschutz unterstützen

Die Kommunen spielen aber nicht nur für die Lebensqualität vor Ort und das Krisenmanagement eine entscheidende Rolle. Auch bei dem Weg aus dem Lockdown und der daraus folgenden wirtschaftlichen Krise kommt ihnen eine Schlüsselrolle zu. Als größter öffentlicher Investitionsträger können die Städte, Gemeinden, Landkreise und Bezirke entscheidend zum wirtschaftlichen Aufschwung beitragen, etwa indem sie die Baubranche und das lokale Handwerk mit Aufträgen versorgen. Viele Kommunen haben bereits Pläne für wichtige Zukunftsinvestitionen erarbeitet, beispielsweise für die Sanierung von Schulen und Kitas, aber auch für Projekte des kommunalen Klimaschutzes und der nachhaltigen Entwicklung vor Ort, die schnell umgesetzt werden könnten. Mit schnellen und zielgerichteten Hilfen für die bayerischen Städte, Gemeinden und Kreise durch Bund und Land muss die finanzielle Handlungsfähigkeit unserer Kommunen erhalten und die Grundversorgung der Menschen vor Ort gesichert werden. Wir müssen sicherstellen, dass die Kommunen auch nach der Krise ausreichend finanzielle Mittel haben, um als größter öffentlicher Investor tätig zu werden.

Um die öffentliche Investitionstätigkeit anzukurbeln, müssen einerseits die kommunalen Förderprogramme hinsichtlich der Programmlaufzeiten, der Beantragungsfristen und der Kofinanzierungspflichten unbürokratisch angepasst werden. Denn in der andauernden Krisensituation wird die lokale Ebene auch weiterhin Probleme haben, entsprechende Fristen einzuhalten und ihren Eigenanteil aufzubringen. Gerade jetzt brauchen wir gezielte kommunale Investitionsprogramme für Klimaschutz, Klimaanpassung, nachhaltige Entwicklung und eine nachhaltige Infrastruktur. Die Kommunen sitzen hier durch ihre Zuständigkeiten in vielen klimarelevanten Bereichen an einem wichtigen Hebel. Gleichzeitig fehlt ihnen aber oftmals das Personal um die zur Verfügung stehenden Mittel entsprechend ihrer Bedarfe abzurufen. Deshalb braucht es jetzt mehr denn je eine deutlich stärkere Unterstützung unsere bayerischen Städte, Gemeinden, Landkreise und Bezirke bei der Umsetzung von Maßnahmen für Klimaschutz, Klimaanpassung und nachhaltige Entwicklung.

Derzeit laufen auf europäischer Ebene die Verhandlungen für das Paket für den mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) der EU 2021-27. Wir unterstützen die Initiative der Visegraád-4-Hauptstädte zur Stärkung der Städtedirektförderung durch die Europäische Union. Wir erkennen die zentrale Rolle der Kommunen für die wichtigen Herausforderungen der Zukunft und fordern deshalb eine Aufstockung der Direkthilfe aus der European Urban Initiative (EUI) und einen Fokus auf Nachhaltigkeit, Lebensqualität und soziale Herausforderungen und eine bessere Einbindung der Kommunen in das Sustainable Urban Development-Programm der EU.

Wir müssen jetzt Maßnahmen umsetzen, damit die Kommunen in der Krise unterstützt, die Konjunktur angekurbelt und der richtige Pfad hin zu wirksamem Klimaschutz und nachhaltiger Entwicklung eingeschlagen wird.

Damit Kommunen unterstützt, ihre Handlungsfähigkeit gesichert und nachhaltige Investitionen in den Kommunen angeschoben werden können, fordern wir insbesondere:

  • Die vollständige Kompensation der Corona-bedingten Gewerbesteuerausfälle für 2020 – hälftig finanziert durch Bund und Land. Auf Basis der September-Steuerschätzung ist darüber hinaus zu überprüfen, in welchem Umfang auch in den Folgejahren eine Gewerbesteuer-Kompensation durch Bund und Länder erfolgen muss;
  • die dauerhafte Erhöhung der Bundesbeteiligung an den Kosten der Unterkunft auf 75 Prozent;
  • Öffnung der bereits beschlossenen Hilfsprogramme des Bundes für kommunale Unternehmen;
  • Verlängerung der Laufzeiten und Fristen aller kommunalen Förderprogramme;
  • Verzicht auf die Kofinanzierungspflicht bei Förderprogrammen für einen klar begrenzten Zeit-raum;
  • Erhöhung der Städtebauförderung;
  • Einführung attraktiver Zuschüsse für kommunale Dekarbonisierungs-Pläne, insbesondere kommunaler Wärmepläne;
  • Passgenaue Finanzierung von kommunalen Planungs- und Umsetzungsaufträgen in den Nachhaltigkeits-, Resilienz- und Klimaschutzbereichen;
  • Förderung von vielfältigen regionalen Aus- und Weiterbildungsoptionen sowie Umschulungsprogrammen in Berufen, die zur praktische Umsetzung und Planung von Maßnahmen für Klimaschutz, Klimaanpassung und nachhaltige Entwicklung beitragen.

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