Britta Walthelm ist Stadträtin in Nürnberg und seit Mai 2020 hauptamtliche Referentin für Umwelt und Gesundheit. Sie verantwortet das Corona-Krisenmanagement für über eine halbe Million Bürger*innen. Und ganz nebenbei kämpft sie auch noch gegen die Klimakrise.
Hättest du vor einem Jahr gedacht, dass uns Corona heute immer noch beschäftigt?
Als ich am 11. Mai 2020 vereidigt wurde, waren die Infektionszahlen zuvor wochenlang nur gesunken. Damals dachte ich noch: „Zum Glück ist das Schlimmste jetzt vorbei.“ Das war natürlich ein totaler Trugschluss. Heute nimmt Corona bis zu 75 Prozent meiner Arbeitszeit ein.
Was war die größte Herausforderung bisher?
Die Verwaltung steht sehr unter Druck. Wir haben für den Corona-Prozess unser Gesundheitsamt von 100 auf über 400 Mitarbeiter*innen verstärkt. Die neuen Kolleg*innen mussten wir erst einmal anwerben, einarbeiten und die Teams neu organisieren. Innerhalb einer Woche haben wir zum Beispiel 100 voll ausgestattete, sichere Arbeitsplätze für die Kontaktnachverfolgung in der Meistersingerhalle eingerichtet.
Corona fordert uns stark. Ich habe ja aber auch noch das wichtige Zukunftsthema Umwelt- und Klimaschutz unter meiner Verantwortung. Alles unter einen Hut zu bekommen ist eine große Herausforderung. Das Ziel ist klar: Nürnberg muss klimaneutral werden.
Wie klappt die Zusammenarbeit mit der bayerischen Staatsregierung in der Krise?
Wenn sich die Kanzlerin an einem Mittwoch mit den Ministerpräsident*innen trifft, informiert uns die Staatsregierung oft erst am späten Freitagabend darüber, was ab dem kommenden Montag in Bayern gelten soll. Wir bekommen keinen Wissensvorsprung, können uns nicht lange genug auf die Umsetzung neuer Maßnahmen vorbereiten. Teils kommen auch widersprüchliche Ansagen aus den Ministerien. Der langfristige Stufenplan, für den sich die GRÜNEN im Landtag und Bundestag schon seit Monaten eingesetzt haben, hätte von Anfang an sicher vieles leichter gemacht.
Auch eine einheitliche Software für die Gesundheitsämter fordern wir schon lange.
Zu Beginn der Pandemie gab es noch keine passende Datenbank. Es gab nur Excel-Listen. Zusammen mit der Technischen Universität Nürnberg haben wir schnell ein eigenes System aufgebaut, das gut funktioniert. Aber natürlich wäre eine bundesweit einheitliche Software sinnvoll, damit die Regierung besser den Überblick behalten kann. Derzeit müssen wir unsere Lageberichte immer noch als Word-Dateien ans Gesundheitsministerium schicken. SormasX – das soll die zentrale Software werden – ist ja leider immer noch nicht fertig programmiert.
Wie sieht eigentlich ein typischer Arbeitstag bei dir aus?
Ich habe viele Termine: mit meinen Mitarbeiter*innen, der grünen Fraktion und den anderen Stadträt*innen. Zu Corona bespreche ich mich mehrmals pro Woche in der Führungsgruppe Katastrophenschutz mit Expert*innen für IT, Gesundheit und Finanzfragen. Mit welchem Szenario rechnen wir für die nächsten Monate? Sollen wir die Verträge der neuen Kolleg*innen im Gesundheitsamt verlängern? Das sind große Fragen, die wir dort gemeinsam abwägen. Ein weiterer wichtiger Teil meiner Arbeit ist die Kommunikation nach außen. Ich nehme am Wochenende auch mal schnell einen O-Ton fürs Radio auf, beantworte Bürger*innenanfragen und kläre Irrtümer auf.
Trägt das Nürnberger Corona-Management durch dich eine grüne Handschrift?
Wir achten sehr darauf, dass die Balance stimmt zwischen den notwendigen Einschränkungen und den Bedürfnissen der Menschen. Wir setzen Kinder und Bildung an die erste Stelle und tun alles, um sicheren Unterricht in der Schule zu ermöglichen. In den Heimen lassen wir Besuche unter strengen Regeln zu. Niemand soll alleine durch diese Krise gehen müssen. Und mir sind Weitsicht und Vorsorge sehr wichtig. Auch in Nürnberg haben wir vor allem in den weniger privilegierten Stadtteilen höhere Infektionszahlen. Die Menschen dort wohnen beengter und arbeiten häufiger in Berufen, die physische Präsenz erfordern. Ihre soziale Lage wirkt sich auch auf ihren allgemeinen Gesundheitszustand aus. Deshalb setze ich mich mehr denn je für ein starkes soziales Netz ein, für saubere Luft, viel öffentliches Grün und schnelle, einfache Angebote für Gesundheitsbildung und Sport.
Was wünschst du dir für die nächsten Monate?
Zum einen, dass wir die Pandemie bald überwinden. Ich werde alles mir Mögliche dafür tun, dass alle, die eine Impfung möchten, auch schnell eine bekommen. Dann steigt hoffentlich wieder die Aufmerksamkeit für die andere große Herausforderung unserer Zeit: die Klimakrise. Ich war ja schon in der letzten Amtsperiode die umweltpolitische Sprecherin der grünen Stadtratsfraktion und stellvertretende Vorsitzende des Umweltausschusses. Jetzt will ich als Umweltreferentin unsere Klimaziele endlich in die Tat umsetzen und die Stadt widerstandsfähiger machen. Zum Beispiel müssen wir unsere Freiflächenplanung vom Kopf auf die Füße stellen: Damit die Stadt im Sommer nicht zu heiß wird, brauchen wir mehr Wasser, mehr Grün und weniger Asphalt. Wie heißt es so schön bei den Demos von Fridays for Future: „Fight every Crisis!“ Mit diesem Spruch kann ich mich mit meinem Job zwischen Corona- und Klimakrise natürlich besonders gut identifizieren.
Vielen Dank, liebe Britta, und viel Erfolg weiterhin für deine so wichtige Arbeit!
In Zusammenarbeit mit GRIBS, der Kommunalpolitische Vereinigung der Grünen und Alternativen in den Räten Bayerns.
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