Kommunalpolitik

Kommunale Familienpolitik – Mehr Raum für Eltern und Kinder

Beschluss auf der Landesausschuss-Sitzung am 15.02.2020

Das Bild der Familie hat sich im Lauf der letzten Jahrzehnte verändert. Neben der klassischen „Kernfamilie“, die zwar nach wie vor die Lebensform der meisten Familien darstellt, haben andere Konstellationen, wie z.B. Patchwork-Familien, bei der sich Kinder und Eltern aus unterschiedlichen Familienphasen jeweils neu mischen, zunehmend an Bedeutung gewonnen. Die Alleinerziehenden-Haushalte machen mittlerweile ca. 20% der Familienhaushalte aus. Das unterstreicht: Familien sind bunt und vielfältig und häufig an zeitliche und räumliche Erfordernisse der heutigen Arbeitswelt angepasst. Veränderte gesellschaftliche und ökonomische Rahmenbedingungen stellen familiäre und kommunale Strukturen vor neue Herausforderungen. Die Gründung einer Familie geht häufig mit verringertem finanziellen Spielraum, Schwierigkeiten und Engpässen bei der Kinderbetreuung, sowie beruflichen Einschnitten einher. Im Bereich der Stadtplanung, der Vermietung von Wohnungen sowie im ÖPNV, werden Familien mit Kindern noch zu selten mitbedacht, zum Teil sogar benachteiligt. Die von Arbeitgeber*innen zunehmend geforderte Flexibilität und Mobilität ist für Arbeitnehmer*innen mit Kindern deutlich schwerer zu erfüllen, als für Kinderlose. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist erst erreicht, wenn Männern wie Frauen eine Erwerbstätigkeit möglich ist, mit der sie ihren beruflichen wie ihren familiären Verpflichtungen nachkommen können.

Aufgabenstellung der Kommunen muss es daher sein, möglichst ganzheitlich und leicht zugängliche Unterstützungsmöglichkeiten für Familien zu schaffen. Eine moderne kommunale Familienpolitik muss Angebote für verschiedene Lebensentwürfe- und -situationen bereithalten, gerecht sein und Teilhabe für alle ermöglichen. Die Ansatzpunkte und Lösungen sind dabei so differenziert und vielfältig, wie die Lebensentwürfe und die Familien selbst. Wir GRÜNE wollen, dass die Kommunen in Bayern Kinder und Familien in das Zentrum ihres politischen und planerischen Handelns rücken und diese in ihrem Wirkungskreis gezielt unterstützen. Denn eine familienfreundliche Kommune ist auch eine lebenswerte Kommune mit funktionierender Infrastruktur, reichem Sozialleben und Weitblick für künftige Herausforderungen. Die Entwicklungspotentiale von Kommunen sind mit familienfreundlichen Lebensumständen verzahnt und im besten Eigeninteresse der Kommunen.

Nicht für, sondern mit Familien planen

Wir GRÜNE wollen Familien in besonderem Maße fördern. Durch eine bürger*innennahe Politik begegnen wir den Herausforderungen des demographischen Wandels, der Strukturschwäche oder den Problemen von Ballungsräumen wie Wohnungsknappheit und hohen Lebenshaltungskosten. Familienpolitik in Kommunen soll Strukturen schaffen, die Menschen dazu ermutigen, Familien zu gründen sowie ein integriertes und umfassendes Maßnahmenpaket für alle Familienbelange etablieren, um Familien mit ihren Kindern in den verschiedenen Lebenslagen unterstützend zu begleiten. Wir wollen die Politik vor Ort so ausrichten, dass alle Familien, unabhängig von Einkommen und Vermögen, dauerhaft in ihrer Gemeinde und in unmittelbarer Nähe ihres sozialen Umfelds wohnen bleiben können.

Familiale Infrastruktur schaffen

Jede Kommune braucht ein zeitlich flexibles und qualitativ überzeugendes Kita- und Kindergartenangebot. Deswegen ist es unser Anliegen, die Kinderbetreuung wohnortnah auszubauen, qualitativ zu verbessern und Flexibilität zu gewährleisten. Dabei sollte vor allem die Betreuung der unter dreijährigen Kinder im Fokus stehen. Die Betreuungsquote ist in Bayern im Vergleich zu anderen Bundesländern noch immer eher niedrig. Ein engagierter Ausbau mit staatlicher Unterstützung der Kommunen ist daher geboten. Die Qualität der Betreuung hängt maßgeblich vom Personal ab. Daher fordern wir die Staatsregierung auf, endlich wirksame Maßnahmen gegen den eklatanten Fachkräftemangel zu ergreifen, wie eine attraktivere Ausbildung mit Vergütung ab dem ersten Tag, bessere Arbeitsbedingungen für Mitarbeiter*innen, sowie einer echten Entlastung der Einrichtungsleitungen. Wichtig ist uns auch, dass der gesetzliche Mindestanstellungsschlüssel, sowie der empfohlene Betreuungsschlüssel weiter verbessert wird und in diesem Zuge auch die staatliche Betriebskostenförderung angepasst wird, damit die Qualität der Kindertageseinrichtung nicht von der finanziellen Leistungsfähigkeit der Kommune abhängt.

Wir möchten Familien die Wahlmöglichkeit geben und dafür die Tagespflege bzw. die Großtagespflege positiv weiterentwickeln, insbesondere im Hinblick auf eine auskömmliche Vergütung, die Qualifizierungsstandards und die rechtlichen Rahmenbedingungen.

Darüber hinaus wollen wir neben dem Angebot der Ganztagsschulen ein flächendeckendes und attraktives Angebot der Nachmittagsbetreuung für Schulkinder. Wir GRÜNE setzen uns dafür ein, dass dabei gesellschaftliche Netzwerke zur Betreuung und Unterstützung als ergänzendes Angebot zu den Ganztagesleistungen von den Kommunen, z.B. durch Bereitstellung von Räumlichkeiten, gefördert werden. Davon profitieren sowohl Eltern, da sie Familie und Beruf besser unter einen Hut bringen können, als auch die Kinder, durch einen besseren Zugang zu einem umfassenden und vielfältigen Bildungsangebot. Natürlich muss hier die Kommune als Arbeitgeberin mit gutem Vorbild voran gehen. Ziel muss sein, dass Eltern nicht auf das passende Angebot hoffen müssen, sondern eine Wahlmöglichkeit haben.

Eine weitere Erleichterung im Berufsalltag von Familien stellt die Schaffung von „Co-Working-Spaces“ in Kombination mit Kinderbetreuungsmöglichkeiten dar. Sie bieten den Eltern die Option in der Nähe des (noch kleinen) Kindes zu arbeiten, und gleichzeitig dem Beruf nachzugehen. Dafür braucht es Räumlichkeiten, aber auch den Dialog mit den Unternehmen vor Ort, um diese auf die Thematik aufmerksam zu machen und ggf. zu sensibilisieren.

Familien werden immer wieder mit Situationen konfrontiert, in denen Hilfe von außen einen unschätzbaren Wert hat, vor allem für sozial schwächere oder neu zugezogene Familien. Unser Ziel ist es, Angebot und Nachfrage zusammen zu bringen, beispielsweise im Rahmen von Familienpatenschaften und Nachbarschaftshilfe. Wir möchten diese Angebote durch die Finanzierung der Weiterbildung Freiwilliger fördern.

Vier von zehn Alleinerziehenden mit kleinen Kindern sind in unserem Land arm. Dabei arbeiten alleinerziehende Frauen im Schnitt sogar fünf Stunden mehr als Frauen in Paarfamilien. Deswegen dürfen vor allem Alleinerziehende nicht alleine gelassen werden. Aus diesem Grund werden wir GRÜNE dafür sorgen, dass die Leistungen Alleinerziehender anerkannt werden und die Bekämpfung von Kinderarmut vorangetrieben wird: Wir machen uns stark für Familien – egal in welcher Form.

Für Investitionen in gute und wohnortnahe Kitas und Schulen, für die Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Angebote zu Inklusion und Integration und die Einführung einer Kindergrundsicherung.

Schaffung familienfreundlicher und -gerechter Wohn- und Lebensräume

Familiengerechtes Wohnen braucht Sicherheit und Entfaltungsmöglichkeiten im Wohnumfeld, aber auch nahe Versorgungseinrichtungen. Kinder erobern sich ihre Welt Stück für Stück. Wir wollen sie dabei unterstützen, indem wir ihnen ausreichend Spielflächen anbieten, die für sie gut erreichbar sind und wo sie vielfältige Erfahrungen sammeln können.

Eine große Rolle spielen kind- und altersgerechte Freizeitangebote wie Krabbelgruppen, Sportvereine, Musikschulen, Theatergruppen, Kunstschulen und Ähnliches. Auch ein verbesserter ÖPNV, kann Eltern im Alltag ungemein entlasten. So können z.B. die sog. Fahrten der „Eltern-Taxis“ verringert werden. Deshalb werden wir dafür sorgen, dass ein entsprechend familienfreundliches Angebot der öffentlichen Verkehrsmittel, bis hin zu gut ausgebauten und sicheren Fahrradwegen, z.B. in Form von ticketfreien ÖPNV für Eltern oder Großeltern mit Kinderwagen und in Begleitung von Kleinkindern, ins Leben gerufen wird.

Es ist immens wichtig, dass Kinder sich im öffentlichen Raum sicher selbstständig bewegen können. Dazu ist es nötig, dass nicht nur Schulwege sicherer werden, sondern insgesamt die Fuß- und Radwegstruktur immer auch aus Kindersicht mitgeplant wird.

Wir wollen den öffentlichen Raum wieder zu einem Ort der Begegnung machen und mehr Lebensqualität vor der eigenen Haustüre schaffen. Wir GRÜNE wollen öffentliche Räume, die inkludieren, die sich die Menschen erobern können und der Allgemeinheit ohne Konsumpflicht dienen.

Das Recht auf Wohnen muss in den Städten und im ländlichen Raum wieder garantiert werden. Die kommunale Wohnungspolitik in unseren Städten und Gemeinden hat dieselbe Aufgabe: sie soll Wohnraum für Menschen jeden Einkommens, für jede Altersgruppe und für jede Form des Zusammen- oder Alleinlebens zur Verfügung stellen. Sie muss neben senior*innengerechten und barrierefreien Wohnungen auch familiengerechte, größere und preiswerte Wohnungen anbieten. Dafür unterstützen wir gemeinwohlorientierte Wohnungsbauakteure wie Genossenschaften, kommunale Wohnungsunternehmen und gemeinschaftliche Wohnprojekte im Rahmen der Wohnraumförderung sowie bei der Vergabe von Grundstücken. Wir legen den Fokus bei der Schaffung bezahlbarer Wohnungen für Familien auf den Bau von Mietwohnungen im Geschosswohnungsbau.

Gemeinden und Städte sind lebenswert und attraktiv, wenn es dort eine gute Mischung von Wohnen, Arbeiten und Freizeit gibt. Zu einer optimalen Grundversorgung gehören auch Einkaufsmöglichkeiten, Gastronomie, öffentliche Einrichtungen, Dienstleistungen und Begegnungsmöglichkeiten. Menschen sollen Lust haben, sich in ihrem Umfeld aufzuhalten, dort einzukaufen und sich zu treffen. Wir denken Mobilität und Stadtplanung zusammen, um sichere und kurze Wege zu ermöglichen, und stärken die Orts- und Quartierszentren.

Kommunale Verwaltung

Wir wollen eine familienfreundliche Verwaltung und bei politischen Entscheidungen die Bedürfnisse von Familien mitdenken. Dazu gehört auch ein regelmäßiges Monitoring, in welchem Informationen zu den Familien und deren Problemlagen in der Form einer dauerhaften Familienberichterstattung erfasst werden.

Weiter finden wir die Einrichtung eines regelmäßig zusammentretenden Familienforums mit Vertreter*innen aus Politik, Wirtschaft, Verwaltung und Gesellschaft essentiell, damit das Thema Familie nicht aus den Augen verloren wird.

Um den Alltag von berufstätigen Eltern zu erleichtern, müssen die Öffnungszeiten der kommunalen Institutionen Arbeitnehmer*innenfreundlich sein. Dabei sollen auch digitale Möglichkeiten der Verwaltung genutzt werden, um online möglichst viele Funktionen der Verwaltung vorzuhalten.

 Freiwillige kommunale Angebote

Bürgerinnen und Bürger sollen sich mit ihrer Kommune identifizieren und wohlfühlen. Um diesem Anspruch gerecht zu werden, bedarf es neben Strukturen und Anpassungen für den familialen Lebensalltag auch ein entsprechendes Freizeitangebot.

Unser Ziel ist es Begegnungsstätten zu schaffen, von modernen und sicheren Spielplätzen bis zu barrierefreien Mehrgenerationenhäusern. Vor allem Jugendlichen müssen Rückzugsräume zur freien Entfaltung bereitgestellt werden. Wir GRÜNE stehen für eine lebendige Jugendkultur, deswegen setzen wir uns für die Einrichtung bzw. den Erhalt von Jugendzentren, Jugendtreffs und anderer selbstverwaltender Formen ein.

Eine wichtige Voraussetzung für erfolgreiche Projekte der Familienstärkung ist die Bildung lokaler Kompetenznetzwerke, welche eine Kooperation zwischen Eltern sowie der Bürgergemeinschaft, also engagierten Einzelpersonen, Teams, Kindertagesstätten, Schulen, Jugend- und Gesundheitsämtern oder Sportvereinen, ermöglicht.

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