LDK-Beschluss

Islamismus konsequent entgegentreten

Islamismus bedroht unsere Gesellschaft. Er ist eine existenzielle Gefahr für viele Menschen, die in dieser Ideologie als Feindbild gelten. Er zerstört den gesellschaftlichen Zusammenhalt. In der Gegenwart erleben wir, wie komplex Diskurse um Islamismus und extreme Rechte miteinander verstrickt sind. Als GRÜNE müssen wir darauf wirksame Antworten finden. Wir müssen uns an die Seite der Betroffenen stellen, islamistische Strukturen – ob djihadistisch-militant oder legalistisch mit bürgerlichem Anstrich – zerschlagen und rassistischen Diskursen entschieden entgegentreten.

 

Islamismus bekämpfen – Demokratie stärken

Der Anschlagsversuch in München auf das israelische Generalkonsulat vom 5. September, stellt erneut die Bedrohungslage durch Islamist*innen unter Beweis und deutet auf einen ideologischen Baustein hin, durch den die extreme Rechte und Islamist*innen miteinander verbunden sind: ihr Antisemitismus, glühender Hass auf Israel und auf Jüdinnen*Juden. Generell verachten Islamist*innen alles, was unsere Demokratie und unsere liberale Gesellschaft ausmacht: universelle Menschenrechte, Würde, Freiheit, Gleichheit.

Sich jedem Islamismus konsequent entgegenzustellen, ist eine Frage des demokratischen Bewusstseins – unabhängig davon, ob dieser nun in Form gewaltbereiter Djihadist*innen oder vermeintlich gemäßigt daherkommt. Denn hinter beidem verbirgt sich dieselbe Ideologie, die lediglich unterschiedliche Wege zum Erreichen der eigenen Ziele, einer radikal islamischen Gesellschaftsordnung, vorsieht. Für uns GRÜNE Bayern ist klar: Ein wirksamer und nachhaltiger Kampf gegen Islamismus muss das ganze Spektrum ins Visier nehmen.

Die Debatten um Islamismus lassen sich nicht davon trennen, dass sie auf der einen Seite von der politischen Rechten für rassistische Politiken instrumentalisiert werden und auf der anderen Seite Teile der politischen Linken unfähig zu sein scheinen, eine angemessene und konsequente Position zu finden. Zu oft kommt es zu Relativierung und Ignoranz – wie nicht zuletzt die Reaktionen auf den Anschlag in Solingen verdeutlicht haben. Darunter leiden besonders die Betroffenen islamistischen Terrors.

Wir GRÜNE Bayern sind überzeugt: Unsere Demokratie ist wehrhaft. Gegen die, die mit demokratischen Instrumenten gegen unseren Rechtsstaat kämpfen – und gegen die, die das mit Gewalt tun. Weder Deutschland noch Bayern dürfen Rückzugsorte für islamistische Organisation sein, Appeasement-Politik und Deals mit islamistischen Regimen oder Islamismus finanzierenden Regierungen müssen enden. Wer aber in rassistische und migrationsfeindliche Narrative verfällt, der untergräbt den Kampf gegen den Islamismus.

 

Islamismus als globales Problem

Spätestens mit dem Anschlag von Solingen ist die Debatte um Islamismus wieder in aller Munde. Dabei zeigte sich schnell: Die Empörung über Islamismus scheint dann besonders groß zu sein, wenn er in Deutschland stattfindet. Dem Morden, Vergewaltigen und Versklaven durch den Islamischen Staat (im Irak und Syrien) wurde viel zu lange zugesehen. Noch immer kämpfen Kurd*innen weitgehend alleine gegen den IS, der weiterhin in der Region aktiv ist. Dabei werden sie immer wieder durch die Türkei bombardiert. Die Ausweitung der Machtbasis islamistischer Bewegungen in der Sahelzone erfährt ebenfalls kein größeres Interesse, weil nicht davon ausgegangen wird, dass diese Bewegungen eine direkte Bedrohung für Deutschland darstellen.

 

Dabei gehört die islamistische Bedrohung mitunter zu den häufigsten Fluchtursachen. Die ersten Betroffenen von Islamismus sind Menschen mit Fluchterfahrungen, andere Muslim*innen, aber auch Kurd*innen, Yezid*innen, Alevit*innen, Assyrer*innen, Yoruba, Igbo und Angehörige vieler weiterer Minderheiten in Afrika und Asien. Rassismus als Reaktion auf islamistischen Terrorismus ist ein Schlag ins Gesicht der Betroffenen. Verhandlungen und Zusammenarbeit mit Terrorregimen über Abschiebungen, sei es direkt oder über Drittstaaten, normalisieren und stärken Islamismus, anstatt diesen zu bekämpfen. Wir GRÜNE wollen Islamismus global bekämpfen und stehen durch Islamist*innen Verfolgten zur Seite.

 

Die Bayerische Staatsregierung und der Terror des Mullah Regimes

Seit Jahren erklärt das iranische Regime die Vernichtung Israels zum obersten Ziel. Es finanziert die sogenannte “Achse des Widerstands”, bestehend aus den Terrorgruppen der Houthis im Jemen, der Hamas in Gaza, der Hisbollah im Libanon und weiterer Gruppen im Irak, die nicht nur Israel, sondern auch Jüdinnen*Juden weltweit bedrohen. Es ist davon auszugehen, dass ohne die Unterstützung des iranischen Regimes die Planung und Durchführung der Massaker vom 7. Oktober 2023 nicht möglich gewesen wären.

Gleichzeitig unterdrückt das islamistische Regime ethnische, religiöse und gesellschaftliche Minderheiten im Inland und geht brutal gegen Andersdenkende, beispielsweise Protestierende der „Frau, Leben, Freiheit“-Proteste, vor. Selbst in Deutschland sind iranstämmige Personen mit Angriffen und Einschüchterungsversuchen konfrontiert.

In den Jahren 2015 bis 2018 arbeitete die Bayerische Landesregierung daran, ihre ökonomischen Beziehungen zum Mullah-Regime auszuweiten und zu vertiefen. Im November 2015 reiste die damalige Landeswirtschaftsministerin Ilse Aigner zusammen mit knapp 100 bayerischen Unternehmer*innen und Banker*innen nach Teheran. Die Staatsregierung versuchte durch die Ansiedlung iranischer Bankfilialen in München US-Sanktionen gegen das iranische Regime zu unterlaufen. Im Jahr 2017 wurden von Bayern aus Waren in Höhe von 353 Millionen Euro in den Iran exportiert, zu einem Drittel Maschinen. Waren in Höhe von 119 Millionen Euro wurden aus dem Iran nach Bayern importiert – zu 90% Erdöl und Gas. Das bedeutete mehr Geld für das iranische Regime und damit mehr Geld für den islamistischen Terror weltweit.

Der Ausstieg der USA aus dem Atomdeal 2018 war eine Zäsur für die bayerisch-iranischen Wirtschaftsbeziehungen. Solange diese Beziehungen aber bestehen und solange die bayerische Staatsregierung mutmaßlich nur darauf wartet, dass die Sanktionen gegen den Iran gelockert oder gekippt werden, sind Bekundungen des Ministerpräsidenten Markus Söder, fest an der Seite der Jüdinnen*Juden und Israels zu stehen, nichts wert. Wir GRÜNE Bayern fordern eine klare Haltung der Staatsregierung zum iranischen Mullah-Regime sowie ein dauerhaftes Ende aller Wirtschaftsbeziehungen!

 

Die jahrelange Toleranz gegenüber Islamismus muss enden

Auch auf Bundesebene hat man sich gegenüber dem Regime in Teheran zu lange nachsichtig gezeigt. Bereits seit Jahrzehnten ist bekannt, dass das Islamische Zentrum Hamburg und die Imam-Ali-Moschee mit dem iranischen Regime verbunden sind, dennoch wurden sie geduldet. Der Leiter des IZH von 1965 bis 1970, Mohammad Beheschti, wurde nach der Revolution als Richter im Iran eingesetzt. Er soll Regimegegner erpresst und hingerichtet haben. Spätestens 1993 setzte eine Beobachtung durch den Hamburger Verfassungsschutz ein. Seit 2017 wurde das IZH als “Instrument der iranischen Staatsführung” geführt. Im Juli 2024 hat das Bundesinnenministerium das IZH endlich geschlossen und verboten, was als wichtiger Erfolg der Ampelregierung im Kampf gegen Islamismus gewertet werden kann.

Besonders augenscheinlich wird die Nachsicht gegenüber Islamismus, wenn man die Haltung etlicher Bundesregierungen gegenüber Hamas, Hisbollah und iranischen Revolutionsgarden näher betrachtet. So wurde die Hisbollah erst 2020 mit einem Betätigungsverbot belegt. Ähnliche Maßnahmen gegen die Hamas folgten erst durch die Ampelregierung nach den Massakern vom 7. Oktober 2023, bei dem 1.200 Menschen ermordet, mehrere tausend verletzt und über 240 als Geiseln in den Gaza-Streifen verschleppt wurden.

Die lange Geschichte des Islamismus in der Bundesrepublik zeigt sich auch darin, dass eine Spur hinter den Terroranschlägen vom 11. September 2001 nach Deutschland führt. Führende Köpfe wie Mohammed Atta, die als Terroristen an den Anschlägen beteiligt waren, haben in Hamburg gelebt und studiert. 2007 konnte die sog. Sauerland-Gruppe dingfest gemacht werden, bevor sie Autobombenanschläge durchführen konnte. 2011 ermordete erstmals ein im Kosovo geborener Islamist zwei US-Soldaten am Frankfurter Flughafen. Ebenfalls haben seitdem 1.150 Menschen eine Ausreise aus Deutschland in den Irak oder nach Syrien angetreten und wurden dabei von islamistischer Ideologie geleitet.

Um Islamismus wirksam, nachhaltig und umfassend zu bekämpfen, müssen wir auch auf den legalistischen Islamismus blicken. Akteure des legalistischen Islamismus wurden in den vergangenen Jahrzehnten in dieser Gesellschaft aufgewertet. Nach wie vor sind Vertreter*innen von Dachverbänden, denen auch vom Verfassungsschutz beobachtete Vereine angehören, gern gesehene Gäste bei Veranstaltungen, Politiker*innen lassen sich mit ihnen ablichten. Wir müssen festhalten, dass ein auffälliger Zusammenhang zwischen Moscheebesuchen und der Zustimmung zu antisemitischen Vorurteilen besteht, wie es die Repräsentativbefragung des American Jewish Committee (AJC) Berlin Ramer Institute for German-Jewish Relations aufgezeigt hat: Der Teil der muslimischen Bevölkerung, der regelmäßig eine Moschee besucht, stimmt mit höherer Wahrscheinlichkeit antisemitischen Aussagen zu. Mit Blick auf den legalistischen Islamismus und quasistaatliche Akteur*innen, die eng mit islamistischen Regimen verbunden sind, gilt es vor allem über die Träger von Moscheen zu sprechen, insbesondere DİTİB, die der türkischen Religionsbehörde Diyanet unterstellt ist oder die vom IZH gegründete Islamische Gemeinschaft der schiitischen Gemeinden Deutschlands (IGS).

Das Problem des Islamismus in Deutschland reicht damit weiter zurück als bis ins Jahr 2015. Der Zusammenhang, der in extrem rechten Narrativen zwischen Migration und der islamistischen Bedrohung hergestellt wird, muss als das bezeichnet werden, was es ist: rassistische Stimmungsmache auf dem Rücken der gesellschaftlich Schwachen. Mit Asylrechtsverschärfungen und Leistungskürzungen kann man den islamistischen Terror nicht nachhaltig bekämpfen. Dem treten wir GRÜNE genauso entgegen wie der jahrelangen Toleranz des Islamismus.

 

Radikalisierung verhindern

Tagtäglich radikalisiert islamistische Ideologie Menschen in der Bundesrepublik. Wir müssen daher endlich über die Ursachen und Orte islamistischer Radikalisierung sprechen und Taten folgen lassen. In den sozialen Medien werben große Accounts wie “Generation Islam”, “Realität Islam” oder “Muslim Interaktiv” für islamistische Inhalte. Nach wie vor wirken in der BRD islamistische Gruppierungen, die die Errichtung eines globalen Kalifats anstreben, weitgehend unbehelligt, etwa als mutmaßliche Nachfolgeorganisationen der 2003 durch das Bundesinnenministerium verbotenen Hizb ut-Tahrir.

Teil des Problems ist auch, dass jahrzehntelang Muslim*innen ausgegrenzt und ihnen ihre Zugehörigkeit zur deutschen Gesellschaft abgesprochen wurde, während gleichzeitig radikalen Akteuren wie der Muslimbruderschaft, Millî Görüş und DİTİB das Feld überlassen wurde. In den meisten Regionen stellen Millî Görüş, DİTİB und IGS die einzigen Strukturen für gläubige Muslim*innen. Es ist beschämend, wenn Menschen, die auf der Flucht vor dem islamistischen Terror hierherkommen, feststellen müssen, dass sich in der Bundesrepublik Strukturen des legalistischen Islamismus fest verankert sind.

Zahlreiche zivilgesellschaftliche Akteur*innen leisten in Bayern seit Jahren Großartiges im Kampf gegen die islamistische Ideologie und Radikalisierung. Wir GRÜNE Bayern stehen an ihrer Seite und treten für ihre Stärkung ein.

 

Wir fordern deshalb:

 

  1. Sicherheitsbehörden besser ausstatten

Die bayerischen Sicherheitsbehörden brauchen mehr Personal, um islamistische Bestrebungen zu verfolgen und Gefährder*innen aus der islamistischen Szene konsequent zu überwachen. Der Austausch von Informationen innerhalb Deutschlands und mit unseren EU-Partnern muss dringend verbessert werden. Im Fokus steht diejenigen besonders zu schützen, die von Islamist*innen am stärksten bedroht werden. Dazu zählen Jüdinnen*Juden, liberale Muslime und vor Islamismus geflüchtete Menschen.

 

  1. Radikalisierung verhindern

Online Radikalisierung darf nicht länger unbehelligt geschehen und muss konsequent verfolgt werden. Plattformen und soziale Medien, die leichtfertig Terrorpropaganda verbreiten, müssen dafür zur Rechenschaft gezogen werden. Allerdings muss darauf geachtet werden, dass keine Werkzeuge für willkürliches Behördenhandeln oder weitere Diskriminierung geschaffen werden. Wir brauchen gut funktionierende Frühwarnsysteme für Anzeichen von islamistischer Radikalisierung und passgenaue Angebote für den Ausstieg. Bisher mangelt es besonders in Unterkünften für Geflüchtete an einem Konzept und ausreichender psychologischer Betreuung, um Radikalisierungstendenzen rechtzeitig zu erkennen. Bisher mangelt es besonders in Unterkünften für Geflüchtete an einem Konzept und ausreichend Personal, psychologischer Betreuung und Integrationsberater*innen, um Radikalisierungstendenzen rechtzeitig zu erkennen und zu begegnen. Anstatt Leistungen zu kürzen, müssen wir in integrationsfördernde und präventive Maßnahmen investieren.

 

  1. Einflussnahme aus dem Ausland entschlossen bekämpfen

Die Einflussnahme islamistischer Regime muss zurückgedrängt werden. Dafür darf der Freistaat Bayern diesen nicht länger die Hand reichen. Die Beziehungen zum iranischen Regime sind zu beenden. Auch Abschiebedeals mit diesen Regimen sind somit undenkbar. Handshakes von führenden Politiker*innen mit Verbänden aus dem islamistischen Spektrum müssen der Vergangenheit angehören. Stattdessen muss die Expertise derjenigen, die vor islamistischen Regimen geflohen sind, anerkannt werden und endlich Gehör finden.

 

  1. Islamistische Strukturen in Bayern zerschlagen

Das Vorfeld für den islamistischen Terrorismus muss konsequent trockengelegt werden. Jihadistische Strukturen müssen zerschlagen und Verbände, die zur Radikalisierung beitragen, stärker überwacht werden. Das Instrument des Vereinsverbots muss entschlossener eingesetzt werden.

 

  1. Prävention stärken

Gemeinsam mit liberalen muslimischen Communities wollen wir ein Netzwerk zur Prävention aufbauen. Ihr Wissen ist unschätzbar wertvoll, um wirksam Extremismus zu verhindern. Neben einer deutlichen Stärkung der altersgerechten politisch-historischen Bildungsarbeit wollen wir in Bayerns Schulen Religionsunterricht durch staatlich ausgebildete Lehrkräfte für Muslim*innen anbieten.

 

  1. Konsequent die Mittel des Rechtsstaats anwenden!

Nach aktuellem Kenntnisstand war der Tatverdächtige von Solingen ein Asylbewerber, dessen Asylantrag in Deutschland abgelehnt worden ist, und dessen Rücküberstellung nach Bulgarien gescheitert ist. Der Vorgang muss lückenlos aufgeklärt werden. Wir setzen uns dafür ein, mehr Vernunft in die Debatten zu bringen: Menschen, die sich in Deutschland radikalisiert haben, müssen auch in Deutschland Zugang zu Aussteiger*innenprogrammen haben. Wer in Deutschland eine Straftat begeht, muss auch in Deutschland verurteilt werden. Wir setzen uns für die bessere Vernetzung von Geheimdiensten ein, damit Einreisen von Islamisten, die bereits beobachtet werden, nicht unter dem Radar geschehen. Wer einreist, um Terrorismus zu begehen, hat kein Recht auf Asyl. Dem Problem Djihadismus können wir nur mit rechtsstaatlichen Maßnahmen und nicht mit Einschränkung des Asylrechts begegnen. Wir stehen global gegen jeden Islamismus, ganz gleich wer unter diesem leidet!

 

Beschluss auf der Landesdelegiertenkonferenz 2024 in Würzburg

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