Strategien gegen Antifeminismus, Homo- und Trans*phobie in Bayern
#miasanfemqueer
Harte Zeiten für Frauen, Feminist*innen, LSBTI und Queeraktivist*innen in Bayern: Sexistische oder homophobe Angriffe gehören inzwischen zum Alltag. Der Hass auf alle, die anders sind, breitet sich aus und Frauenfeindlichkeit, Homophobie und Rassismus sind wieder salonfähig.
Unser Kongress „Mia san mia – feministisch und queer!“, machte klar, dass es um grundlegende Menschenrechte geht, nicht mehr und nicht weniger. Gemeinsam mit Zara Pfeiffer entwickelten wir Strategien, wie wir uns den Antifeminist*innen und den Homo- und Trans*feind*innen machtvoll entgegenstellen.
Wir haben der Sozialwissenschaftlerin, Künstlerin und Aktivistin vier Fragen gestellt:
Mit deinem Netzwerk Rassismus- und Diskriminierungsfreies Bayern e.V. setzt du dich für die Sichtbarmachung und Bekämpfung von Rassismus und Diskriminierung sowie die Unterstützung von Personen, die Rassismus und Diskriminierung erfahren, ein. Siehst du Überschneidungen und/oder Verbindungen zwischen Rassismus und Sexismus?
„Sich für eine Rassismus- und Diskriminierungsfreie Gesellschaft einzusetzen erfordert eine Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Formen von Ausgrenzung und Unterdrückung. Als wir das Netzwerk Rassismus- und Diskriminierungsfreies Bayern im März 2015 gegründet haben, haben wir uns sehr bewusst dafür entschieden, die Arbeit gegen Rassismus nicht isoliert anzugehen, sondern immer auch andere Formen von Diskriminierung mitzudenken, wie Sexismus, Homosexuellen- und Trans*feindlichkeit oder die Diskriminierung von Menschen mit Behinderung. Diese Arbeit wäre einfacher, wenn das Betroffensein von einer Form von Diskriminierung sich einfach übersetzen ließe auf andere Arten von Diskriminierung. Aber so funktioniert es leider nicht. Von Sexismus betroffen sein, heißt nicht automatisch auch zu wissen, was es heißt, rassistisch diskriminiert zu werden. Die Frauenbewegung zum Beispiel war nie frei von Rassismus und Trans*feindlichkeit, auch wenn sie immer schon Strömungen hatte, die antirassistisch ausgerichtet waren. Darauf hingewiesen haben vor allem diejenigen, die in mehreren Bereichen diskriminiert wurden und sich dagegen eingesetzt haben: Schwarze Feministinnen zum Beispiel. Tatsächlich ist es ja so, dass viele Menschen von mehreren Diskriminierungen betroffen sind. Die Konsequenz ist aber nicht, alles in einen Topf zu werfen und umzurühren, sondern genau hinzuschauen, wo mögliche Gemeinsamkeiten liegen und wo es Unterschiede gibt. Genau das versuchen wir mit dem Netzwerk. Das heißt für uns vor allem Politik mit Betroffenen zu machen und nicht über ihre Köpfe hinweg, auch wenn das manchmal vielleicht anstrengend ist. Das hat aber auch etwas sehr Schönes, weil es uns weiterbringt, wenn wir lernen uns zurückzunehmen, zuzuhören.
Um nochmal auf die Frage zurückzukommen nach den Verbindungen von Rassismus und Sexismus – Eine Verbindung gibt es tatsächlich: das zugrunde liegende Machtverhältnis. Rassismus und Sexismus funktionieren nur in eine Richtung. Es sind historisch tradierte, strukturell wie individuell wirkende Macht- und Unterdrückungsverhältnisse.“
Seit wie vielen Jahren bist du schon im Kampf gegen Sexismus unterwegs? Wie bist du Feministin geworden und warum ist dieser Kampf heutzutage in unserer doch scheinbar offenen Gesellschaft immer noch notwendig?
„So ganz genau kann ich das gar nicht sagen. Die Themen mit denen ich mich als Jugendliche beschäftigt habe, waren der Kampf gegen Rassismus und Rechtsextremismus. Mit Sexismus habe ich mich erst später auseinandergesetzt, ich denke so mit Anfang/Mitte 20. Das lag vor allem daran, dass ich die Kategorie Frau als ziemlich schwierig und einengend empfunden habe. Erst als ich angefangen habe, Judith Butler zu lesen, habe ich verstanden, dass ich die Kategorie Frau nicht brauche, um queer-feministische Politik zu machen.
Unsere Gesellschaft ist ja leider nicht so offen, wie sie sich das gerne auf die Fahnen schreibt. Die Gleichstellung von Frauen und Männern wird ja zum Beispiel immer dann gerne hochgehalten, wenn damit rassistische Stereotype bedient werden können. Dabei gibt es eine ganze Reihe von Punkten, in denen es vieles zu tun gibt: Wir haben noch immer kein Sexualstrafrecht, das auf dem Konsensprinzip beruht, Frauen verdienen nach wie vor schlechter als Männer, Frauen übernehmen einen Großteil der Reproduktionsarbeit und sind gleichzeitig in wichtigen Funktionen des öffentlichen Lebens viel seltener vertreten… Diese Liste ließe sich endlos fortsetzen. Gleichzeitig müssen wir aufpassen die grundlegende Idee des Feminismus dabei nicht aus dem Blick zu verlieren: die Gleichstellung von Menschen unabhängig von ihrem Geschlecht auf ökonomischer, politischer und sozialer Ebene.“
Der Freistaat Bayern liebt ja die Sonderwege. Nimmt unser Bundesland auch in der Sexismus-Debatte eine Sonderstellung ein?
„Ja, in Bayern gibt es ja immer wieder mal Sonderwege, die leider nicht immer so hilfreich sind und oft auch ziemlich rückschrittlich. Einer der Hauptgründe ist das in Bayern nach wie vor weit verbreitete enge Familien- und Geschlechterbild, das sich darüber stabilisiert, Vielfalt auszugrenzen. Merkwürdig kleinkariert ist das.“
Wenn du eine Sexismus-Prognose aufstellen solltest: Wo siehst du die Sexismus-Debatte in 15 Jahren und wirst du dann immer noch queer-feministische Aktivistin sein?
„Ich denke wir werden in 15 Jahren ähnliche Auseinandersetzungen und Debatten führen wie heute und wie schon vor 15 und vor 30 Jahren. Ich hoffe die rechten Bewegungen, die sich derzeit in vielen Ländern Europas, auch in Deutschland, formieren, sind in 15 Jahren in sich zusammengeschrumpft. Auf keinen Fall dürfen wir denen das Feld überlassen. Der wichtigste Schritt ist meiner Meinung nach, die Versuche fortzusetzen, die verschiedenen Kämpfe gegen Sexismus, gegen Rassismus, gegen Ableismus, gegen LGBTIQ*-Feindlichkeit zu verbinden.
Ich weiß gar nicht, ob ich queer-feministische Aktivist*in bin. Vielleicht schon irgendwie. Auf jeden Fall habe ich nicht vor aufzuhören darum zu ringen.“
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