Der „Energiegipfel“ zwischen Horst Seehofer, Angela Merkel und Sigmar Gabriel Anfang Juli war ein Schlag gegen den Klimaschutz. Die 2017 beginnende und erst 2024 abgeschlossene Überführung von alten Kohlekraftwerken in die Reserve und anschließende Stilllegung verzögert nicht nur die dringend notwendige Reduktion des CO2-Ausstoßes, sondern ist zudem ein vergoldeter Sargnagel für veraltete Klimakiller auf Kosten der Stromverbraucher*innen. Deutschland und Bayern sind vom ehemaligen Vorreiter bei Kyoto unter anderem deshalb zum Bremser geworden, weil die Große Koalition und Seehofer als Lobbyisten der Energiekonzerne agieren. Insbesondere angesichts des seit Jahren vor sich hin dümpelnden Emissionshandels fordern die Grünen, Kohlekraftwerke unverzüglich mit einer CO2- sowie Gesundheits-Abgabe (im Blick auf ihren Feinstaub-, Schwefel- und Quecksilberausstoß) zu belegen und eine generelle CO2-Besteuerung vorzubereiten – als sinnvolle Instrumente zur Deckung von Heilungskosten und für mehr Klimaschutz.
In wenigen Wochen werden in Paris die Verhandlungen über ein neues internationales Klimaschutzabkommen geführt. Ziel muss sein, dass sich die Staatengemeinschaft auf verbindliche CO2-Einsparziele einigt. Vom Erfolg oder Misserfolg dieses Treffens wird wesentlich das Erreichen des Zwei-Grad-Zieles abhängen und damit, ob und wie schnell die zunehmend bedrohlichere Klimazerstörung gestoppt werden kann, deren Vorboten wir in Form von sich immer stärker häufenden Extremwetter-Ereignissen ausgesetzt sind.
Braunkohle ist nicht nur der größte CO2-Emittent der deutschen Stromversorgung, sie ist auch das größte Hindernis für eine Energiewende. Ohne die Überkapazitäten durch zu viele Braunkohlekraftwerke würde die EEG-Umlage deutlich sinken, die bestehenden Gaskraftwerke wären besser ausgelastet und würden wieder schwarze Zahlen schreiben und die dezentrale Kraft-Wärme-Kopplung hätte bessere Chancen. Deutschland kann mit einem zügigen und geordneten Ausstieg aus der Kohle einen vorbildlichen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Die Grünen wollen deshalb innerhalb von acht Jahren die Braunkohleverstromung halbieren und bis 2030 komplett beenden. Wir wollen gleichzeitig den Dreck halbieren und das Risiko minimieren.
Den Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung stoppt die Große Koalition faktisch. Durch Veränderungen der Berechnungsgrundlage wird das Ausbauziel eines KWK-Anteils von 25 % kassiert und auf ca. 19 % reduziert. Wir Grüne fordern den deutlichen Ausbau der dezentralen Kraft-Wärme-Kopplung, eine dringend notwendige Maßnahme, um die Energiewende im Strombereich mit der Energiewende im Wärmebereich zu verbinden.
Seehofers Gaskraftwerkspläne sind wie Seifenblasen zerplatzt. Hatte Horst Seehofer im Jahr 2011 noch von fünf neuen Gaskraftwerken in Bayern geträumt, reduzierte er mittlerweile seine Wünsche auf zwei neue Gaskraftwerke. Doch auch diese bleiben auf absehbare Zeit mehr Wunsch als Wirklichkeit. Nicht zuletzt durch seinen Einsatz für die Braunkohle untergräbt Seehofer seine eigenen Gaskraftwerkspläne. Wir Grüne halten Gaskraftwerke als vorübergehende Reservekapazitäten für sinnvoll, wenn zuvor wichtige Schritte zu 100% Erneuerbare eingeleitet sind. Vorrangig sind jedoch: Energieeinsparung, Lastmanagement, Speicherentwicklung, ein rascher Ausbau der erneuerbaren Energien, ein sinnvoller Netzausbau und der radikale Abbau der bestehenden fossilen und nuklearen Überkapazitäten. Soweit Gaskraftwerke im Übergang vom fossilen zum post-fossilen Zeitalter erforderlich sind, sollte vorrangig auf Kraft-Wärme-Kopplung in möglichst dezentralen Einheiten gesetzt werden. Darüber hinaus fordern die Grünen eine verstärkte Forschungsförderung, um Gaskraftwerke künftig auch mit Windgas betreiben zu können, das aus dem Speicherprozess Power-to-gas gewonnen wird.
Nachdem die CSU vor Jahren selbst einen Ausbau großer Übertragungsleitungen gefordert hatte, ist ihre Blockadeshow beim Netzausbau zwar jämmerlich gescheitert, sie hat aber zu erheblichen Verzögerungen geführt. Innerhalb weniger Tage hat die CSU im Juli wieder eine 180-Grad-Wende vollzogen. Der Bedarf für weitere Übertragungsleitungen wird nun auch von ihr (wieder) anerkannt. Damit hat die CSU alle Bürgerinnen und Bürger für dumm verkauft, die sich gegen den Bau der Leitungen ausgesprochen hatten. Die Formel „2-x“, wurde kassiert, Seehofers x ist eine 0.
Wir Grüne in Bayern halten gemeinsam mit den Grünen im Bund und in den anderen Bundesländern den überregionalen Netzausbau für einen sinnvollen und wichtigen Baustein einer Energiewende hin zu 100 % Erneuerbaren Energien. Sowohl für den Transport von regionalen Überschüssen als auch für die Netzstabilität sind HGÜ-Leitungen ökologisch und ökonomisch vorteilhafte Projekte. In vernünftigem Umfang ist ihr Ausbau sinnvoll, weil ein gut ausgelegtes Stromnetz das starke und flexible Rückgrat der künftigen Stromversorgung aus Erneuerbaren Energien in Deutschland ist, gerade weil wir die Produktion von Strom aus Erneuerbaren Energien vorrangig dezentral und in BürgerInnenhand organisieren wollen. Zudem ist auf mittelfristige Sicht davon auszugehen, dass wir immer häufiger regionale – aber zeitlich versetzte – „Überproduktionen“ von Strom aus Erneuerbaren Energien haben werden, die durch das Übertragungsnetz effizient ausgeglichen werden können. HGÜ-Leitungen als übergelagertes Netz über dem Wechselstromnetz haben dabei den Vorteil, dass sie wesentlich zur Spannungshaltung und Netzstabilität beitragen. Zudem sind nach allen bisherigen Erkenntnissen gesundheitliche Auswirkungen deutlich geringer als bei den Wechselstromleitungen. Wir fordern bei der Planung der Übertragungsleitungen größtmögliche Transparenz und die Einbeziehung von Speichertechniken in die Berechnungen.
Wir Grüne hatten uns als erste für die Möglichkeit zur Erdverkabelung eingesetzt – anders als die CSU, die sie stets und auf allen Ebenen abgelehnt hat – im Bundestag, im Bundesrat und im Bayerischen Landtag. Es ist gut, dass die CSU auch hier ihren Widerstand aufgeben musste. Ob ein Erdkabel oder aber eine Freileitung mit einem geringeren Eingriff in die Umwelt verbunden ist und die bessere Lösung darstellt, dass kann je nach örtlicher Gegebenheit unterschiedlich sein. Deshalb bestehen wir darauf, dass die Leitungen mit einer echten Bürgerbeteiligung geplant und die Landkreise bzw. regionalen Planungsverbände bei der Entscheidung für oder gegen Erdkabel einbezogen werden.
Die rückwärtsgewandte Energiepolitik der Großen Kohle-Koalition hat in den letzten zwei Jahren zu einem starken Rückgang des Ausbaus Erneuerbarer Energien in Bayern geführt. Bei der Photovoltaik ist der massive Einbruch und der damit einhergehende Verlust von zahlreichen Arbeitsplätzen kein spezifisch bayerisches Problem sondern das Ergebnis falscher Weichenstellungen in Berlin. Anders bei der Windkraft: Es liegt an der Totalblockade der CSU-Landesregierung, dass in Bayern kaum noch neue Windräder gebaut werden. Die bayerischen Grünen fordern deshalb ein sofortiges Ende der 10H-Abstandsregelung für Windkraftanlagen in Bayern und begrüßen die Klagen grüner Mitglieder sowie der Landtagsfraktion vor dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof gegen das H10-Gesetz. Wir können und wollen beim Ausbau des sauberen Windstroms viel mehr für Bayern erreichen, bürgernah und dezentral. Unser Ziel ist es, die Blockade der Energiewende durch die CSU zu beenden für mehr Klimaschutz und für den Erhalt der Arbeitsplätze in dieser Zukunftsbranche.
Unsere Kritik an der Energiepolitik der Bundesregierung und der CSU-Staatsregierung wird von vielen Initiativen, Genossenschaften, Umweltverbänden, Kommunen und Unternehmen mitgetragen. Mit ihnen arbeiten wir gemeinsam für das Gelingen der Energiewende. Wir setzen uns ein für einen schnellen Kohleausstieg als Grundvoraussetzung für die Weiterentwicklung der Energiewende und für ein zukünftiges Strommarktdesign, das den weitgehend dezentralen Ausbau der Erneuerbaren Energien in allen Teilen Deutschlands zum Ziel hat. Wir kämpfen für eine konsequente Energiewende im Strom-, Wärme- und Mobilitätsbereich.
Von der Klimakonferenz in Paris erwartet die Zivilgesellschaft ein verbindliches internationales Klimaschutzabkommen für die Zeit nach 2020, um die globale Erwärmung auf höchstens zwei Grad zu begrenzen. Wir Grüne sehen gerade Bayern als reiches Industrieland mit einem hohen Energieverbrauch in der Pflicht, vom Bremser zum Vorreiter zu werden und endlich ernsthaft klimapolitische Verantwortung zu übernehmen.
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