Präambel
Die Nutztierhaltung steht im Zentrum der Landwirtschaftspolitik und berührt wesentliche gesellschaftliche Fragen: den Schutz unserer Umwelt, das Wohl der Tiere, die Zukunft unserer Ernährung und die Sicherung der bäuerlichen Landwirtschaft. Angesichts der drängenden Herausforderungen durch den Klimawandel, des fortschreitenden Verlusts der Biodiversität und der wachsenden ethischen Bedenken gegenüber der industriellen Tierhaltung ist ein grundlegender Umbau der Nutztierhaltung unerlässlich.
Wir Grüne stehen für eine nachhaltige, tiergerechte und klimafreundliche Landwirtschaft. Es ist an der Zeit, die Versäumnisse der Vergangenheit zu korrigieren und den Weg in die industrielle Landwirtschaft zu verlassen. Bayern hat die Chance, eine Vorreiterrolle in diesem Wandel einzunehmen mit einer Landwirtschaftspolitik, die die richtigen Weichen stellt, um die Interessen von Mensch, Tier und Natur in Einklang zu bringen.
Wir wollen eine Landwirtschaft in Bayern, die nachhaltig gesunde und sichere Lebensmittel erzeugt. Gemeinsam mit den Betrieben der handwerklichen Lebensmittelverarbeitung ermöglichen die Landwirtinnen und Landwirte unsere zukünftige regionale Lebensmittelversorgung und steigern die Wertschöpfung in den ländlichen Regionen in Bayern.
Für Artenvielfalt und den Klimaschutz brauchen wir einen Wandel in der Landwirtschaft und in der Agrarpolitik. Wir sind für eine massive Reduktion des Importes von Futtermitteln und damit auch einer Reduzierung der zusätzlichen Einträge in unser Ökosystem, wir sind für eine erhebliche Pestizidreduktion, wir sind für den Erhalt unserer Kulturlandschaften, die unsere Bayerische Heimat ausmachen, aber auch für den Tourismus eine große Rolle spielen.
Unser Weg ist der einer Kreislaufwirtschaft und einer standortangepassten flächengebundenen Tierhaltung.
Landwirtschaftliche Tierhaltung als Teil einer naturgerechten und standortangepassten Landwirtschaft
Die natürliche Beziehung zwischen Wiederkäuern und Grasland ist das Ergebnis einer jahrtausendealten Evolution. Rinder, Schafe und Ziegen sind perfekte Grasverwerter und helfen auf extensiv beweidetem Grünland dabei, Kohlenstoff zu speichern. Der Kuhfladen ist ein wahrer Hotspot der Artenvielfalt. Allein in der Unterfamilie der Dungkäfer bietet er Lebensgrundlage für über 33 verschiedene Arten.
Im Hinblick auf den Klimaschutz geht es darum, den CO2-Ausstoß durch die Landwirtschaft zu reduzieren und eine Landwirtschaft zu betreiben, die die Qualität von Böden als Kohlenstoffspeicher Speicher erhält und verbessert. Beweidung spielt hier eine Hauptrolle.
Dauergrünland bedeutet für Klimaschutz und Artenvielfalt erheblich viel. Vor allem im Alpenvorraum und den Alpen gibt es noch viel Dauergrünland, das mit Weidewirtschaft und dem Verfüttern von Heu gut erhalten werden kann. Diese Wirtschaftsweisen richtig zu managen und auszubauen, ist ein zentraler Bestandteil einer grüner Landwirtschaftspolitik. Dabei gilt es auch Überweidung und Intensivierung zu verhindern und richtige Beweidung, etwa durch Behirtung, zu fördern.
Die Ökosystemleistung für Klima- und Artenschutz durch Tiere in der Landwirtschaft ist für uns auch das Kriterium, wenn wir die Flächenkonkurrenz kritisch in den Blick nehmen. Nach wie vor ist der Flächenverbrauch durch Gebäude und Straßen, (meist von landwirtschaftlichen Flächen) mit 11 ha täglich zu hoch, das entspricht etwa dem Drittel eines durchschnittlichen landwirtschaftlichen Betriebes in Bayern. Wir stehen für das 5 ha Ziel.
46 % der Gesamtfläche Bayerns wird landwirtschaftlich genutzt, davon 65 % als Ackerfläche und etwa 35 % als Grünland (1 % Sonstiges). Etwa die Hälfte der Ackerfläche für den Anbau von Futtermitteln genutzt, bis zu einem Drittel für die Erzeugung von pflanzlichen Nahrungsmitteln und 21 % für den Anbau von Energiepflanzen.
Die Ökosystemleistung ist auch Kriterium für Tierfutter (vor allem für Schweine, Hühner, aber auch Rinder) vom Acker. Wir sind für eine Reduzierung der Anbauflächen von Tierfutter zu Gunsten von Flächen zur menschlichen Ernährung, um den Anteil der Lebensmittelproduktion in Bayern und die Selbstversorgung etwa mit Gemüse und Leguminosen für die menschliche Ernährung zu erhöhen.
Wir brauchen eine kluge und vielfältige Nutzung der Kulturpflanzen, um die wachsende Nachfrage nach postfossilen Rohstoffen, Stichwort Bioökonomie, mit ökologisch verträglichem Pflanzenanbau zu kombinieren. Bei der Lebensmittelproduktion entsteht nicht-essbare Biomasse, z.B. Stroh bei der Ernte von Getreide und Leguminosen; Spelzen oder Presskuchen in Mühlen und Ölmühlen; Treber beim Brauen; Molke bei der Käseherstellung oder auch Kleegras als Teil ökologischer Fruchtfolgen. In naher Zukunft wird ein steigender Anteil davon auch für die Produktion vegetarischer Nahrungsmittel genutzt werden, z.B. durch Fermentation oder als Substrat für Pilze. Der große Rest muss wie bisher wieder in den landwirtschaftlichen Kreislauf zurück. Als Tierfutter können aus diesen Reststoffen hochwertige Lebensmittel erzeugt werden und als Substrat für Biogasanlagen erneuerbare Wärme und Strom. Aus der Tierhaltung und Biogasanlagen entsteht am Ende der Kaskade wichtiger organischer Dünger.
Auf die tierhaltenden Betriebe in Bayern kommen große Herausforderungen zu: Sinkender Fleisch- und Milchkonsum, die steigenden gesellschaftlichen Anforderungen an den Tierschutz, internationale Konkurrenz und der Klimawandel machen ein „Weiter so!“ unmöglich. Wir werden die bäuerlichen Betriebe in Bayern auf neuen Wegen unterstützen. Wir freuen uns über die Fördermittel, die das Bundeslandwirtschaftsministerium unter Cem Özdemir für den Umbau der Tierhaltung und das „Chancenprogramm Höfe“ zur Verfügung stellt. Zudem bringt eine bessere Kennzeichnung der Haltung und Herkunft von Tieren auf den Produkten den Verbraucher*innen mehr Macht, die Landwirtschaft zu unterstützen, die sie wollen.
Flächengebundene, standortangepasste Tierhaltung und eine Reduzierung der Tierbestände und ein niedrigerer Fleischkonsum sind möglich. Seit Jahren sinkt der Fleischkonsum und pflanzliche Alternativen zu Fleisch und Milch werden immer besser und verfügbarer. Uns ist dabei wichtig, dass auch pflanzliche Proteine möglichst regional und biologisch angebaut und zu sicheren Lebensmitteln verarbeitet werden. Wir müssen verhindern, dass vegane Produkte hochverarbeitet und hauptsächlich in großindustriellen Strukturen und mit patentierten Verfahren hergestellt werden. Doch in Europa gibt es mit der Novel Food Verordnung eine gute Grundlage für die Bewertung neuer Lebensmittel.
Eine andere Landwirtschaftspolitik und ein verändertes Kaufverhalten der Verbraucher*innen gehen Hand in Hand. Die öffentliche Beschaffung und eine entsprechende Anpassung der Gerichte in der Gemeinschaftsgastronomie sind die großen Hebel für eine klimafreundlichere, nachhaltigere und gesündere Esskultur. Um ein anderes Konsumverhalten zu ermöglichen und zu fördern, müssen wir regionale Wirtschaftskreisläufe unterstützen und entsprechende Verarbeitungs- und Vermarktungsstrukturen entlang der Kette Landwirtschaft, Handwerk, Handel erhalten bzw. wieder aufbauen.
Wir wollen die bäuerliche Landwirtschaft erhalten, kleine und mittlere Betriebe leisten einen wichtigen Beitrag zur Nahrungsmittelversorgung, zur Sicherung wirtschaftlichen Existenzen und schaffen Arbeitsplätze auch im Nebenerwerb und in Kombination mit anderen Erwerbsmöglichkeiten (z.B. Ferien auf dem Bauernhof). Wegen ihrer Beiträge für die Kulturlandschaft ist sie unverzichtbar.
Gerade in Bayern wächst ein erfolgreiches Netzwerk von Landwirt*innen, Unternehmer*innen und Wissenschaftler*innen, die mit pflanzlichen Proteinen erfolgreich sind. Wenn wir diese Strukturen gut unterstützen, entsteht eine große Chance für Landwirt*innen in Bayern. Wir wollen, dass besonders auch die öffentliche Hand ihre Nachfragemacht nutzt und damit den Weg bereitet ein anderes Konsumverhalten zu ermöglichen und zu fördern.
Forderungen
- Wir setzen auf die Förderung ökologischer Landwirtschaft, flächengebundener Tierhaltung, von Tierwohl und der Kreislaufwirtschaft.
- Wir unterstützen den ökologischen Umbau mit einer verlässlichen und starken Förderung für Betriebe, die auf ökologische Landwirtschaft umstellen. Insbesondere kleine und mittlere Betriebe sollen hierbei unterstützt werden. Wir schaffen Anreizsystem, die landwirtschaftliche Kreisläufe stärken, um den Einsatz von chemischem Düngemittel und Pestiziden zu reduzieren und die Bodengesundheit zu fördern. Die Förderung lokaler und nachhaltiger Futterproduktion soll verstärkt werden, um den Sojaimport zu reduzieren.
- Flächenbindung und standortangepasste Tierhaltung muss zum Kriterium staatlicher Förderung werden.
- Wir wollen den Erhalt und den Ausbau von Dauergrünland durch gezielte Programme erhalten und erweitern.
- Die Bestandserweiterung soll nicht mehr Kriterium für die Förderung von Stallbauten sein. Wir wollen gezielt den Um- oder Neubau von kleinen Ställen für mehr Tierwohl fördern.
- Um den Tieren den bestmöglichen Komfort zu bieten, muss in die Ausstattung der Ställe, in Freilauf und Weide investiert werden. Förderprogramme für die Umgestaltung und den Neubau von Ställen, die modernen Tierwohlstandards entsprechen, sollen ausgebaut werden. Dies umfasst auch Anpassungen, die notwendig sind, um den Anforderungen des Klimawandels gerecht zu werden, wie Hitzeschutz, Belüftung und flexible Stallkonzepte.
- Neue wissenschaftliche Erkenntnisse müssen systematisch in die Gestaltung von Haltungssystem einfließen. Hierzu gehören Erkenntnisse über das Verhalten, die Bedürfnisse und die physiologischen Veränderungen der Tiere.
- Neben Investitionshilfen sollen finanzielle Anreize geschaffen werden, die den Übergang zu nachhaltigeren und tiergerechteren Haltungsformen erleichtern. Zudem sollen Betriebe unterstützt werden, die auf nachhaltige Produktionsweisen umstellen und dabei kurzfristig wirtschaftliche Einbußen in Kauf nehmen müssen.
- Der Wandel erfordert eine Veränderung der Routinen und Gewohnheiten in der Landwirtschaft. Schulungs- und Beratungsangebote, die Landwirt*innen helfen, neue Arbeitsmethoden und Technologien zu adaptieren, sind unerlässlich. Dazu gehört auch die psychologische Unterstützung in einem Sektor, der mit vielen Unsicherheiten und Belastungen konfrontiert ist.
- Bei den Zuchtzielen sind wir für eine Abkehr von der Leistungsoptimierung, dagegen müssen Ziele wie Gesundheit, artgerechte Ernährung, Lebensalter verbindlich festgelegt werden.
- Wir fördern kleine Schlachthöfe, das lebensmittelverarbeitende Handwerk, die Verarbeitung weiterer tierischer Produkte und entsprechende Initiativen im Handel, um kurze Wege und regionale Wirtschaftskreisläufe zu unterstützen bzw. zu schaffen.
- Wir unterstützen das Lebensmittelhandwerk, Gastronomie und Kantinen und Mensen bei der Umstellung auf ökologische Lebensmittelproduktion und Bio-Essen.
- Wir setzen uns dafür ein, Hauswirtschafter*innen und Köch*innen in Theorie und Praxis so auszubilden, dass sie pflanzliche Alternativen einsetzen, Gerichte frisch zubereiten und alle Teile eines Tieres verwerten können.
- Wir sind für eine stärkere Förderung der Forschung und Entwicklung pflanzlicher Proteinalternativen sowie die Unterstützung von Start-ups, Landwirt*innen und kleineren und mittleren Unternehmen, die in diesem Bereich innovativ tätig sind.
- Wir werden die Verbraucher*innenbildung und Ernährungsbildung in Kitas, Schulen und in der Erwachsenenbildung ausbauen.
Beschluss auf der Landesdelegiertenkonferenz 2024 in Würzburg
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