Klimaschutz

Für eine ökologische Steuerreform

Beschluss auf der Landesdelegiertenkonferenz 2019 in Lindau

Wenn wir so weiter wirtschaften wie bisher, werden wir den Planeten unbewohnbar machen. Die Klimakatastrophe ist längst da, wie uns immer neue Hitzerekorde, Dürre und Trockenheit in Mitteleuropa, das Auftauen der Permafrostböden oder massive Brände in der Arktis verdeutlichen.

Die Klimakatastrophe ist dabei aber nicht die einzige ökologische Großkrise, vor der wir stehen: Der rasante Verlust an Biodiversität, die Vermüllung der Meere mit Plastik, die globale Überdüngung mit Stickstoff, der Verlust an fruchtbaren Böden: Wir stoßen derzeit mit rasender Geschwindigkeit an die Grenzen des Planeten. Wenn wir ungebremst so weiter wirtschaften wie bisher, sind nicht nur die ökologischen Folgen katastrophal, sondern auch die ökonomischen und sozialen. Wir sind gerade dabei, uns selbst, unseren Kindern und Enkelkindern die Lebensgrundlagen zu entziehen.

Es ist allerhöchste Zeit zu handeln, im Bund und in Bayern!

Die schwarz-rote Koalition im Bund und die CSU-geführte Staatsregierung in Bayern haben viel zu lange alle Warnungen und Empfehlungen von Wissenschaftler*innen ignoriert, sei es in der Agrarpolitik, in der Energie- oder der Verkehrspolitik. Nun ist höchste Zeit, radikal umzusteuern. Wir müssen in allen Sektoren und Bereichen und mit allen zur Verfügung stehenden politischen Hebeln an der Erreichung der Klimaziele arbeiten. Ein zentrales Element muss eine ambitionierte ökologisch-soziale Finanzreform sein. Preise müssen endlich die ökologische Wahrheit sagen, müssen Kosten für Umwelt- und Naturverbrauch, für die Emission klimaschädlicher Substanzen konsequent eingepreist sein.

Viele Unternehmen haben diese Notwendigkeit längst erkannt und treiben die Politik vor sich her, wie z.B. die Bewegung der #EntrepreneursForFuture eindrucksvoll demonstriert: Über 3.000 Unternehmen, die über 180.000 Arbeitsplätze und mehr als 30 Mrd. EUR Umsatz repräsentieren, haben den Appell unterzeichnet. Der Mittelstand hat zum Klimastreik aufgerufen, und Zehntausende sind dem Aufruf am 20. September nachgekommen. Hier müssen klare und für alle verbindliche politische Rahmenbedingungen für Unternehmen gesetzt werden, die deren Investitionen in den Klimaschutz planbar machen. Denn es darf nicht sein, dass Vorreiter für den Klimaschutz im Kostenwettbewerb Nachteile haben.

Das Instrument der Wahl ist zumindest kurzfristig die CO2-Bepreisung in Form eines Aufschlags auf die vorhandenen Energiesteuern. Der viel diskutierte Zertifikatehandel ist ein brauchbares, flexibles Instrument für die mittlere Frist. Er funktioniert aber nur auf EU-Ebene. Zunächst muss die genaue Ausgestaltung mit den europäischen Partnern ausverhandelt werden, damit die „Zertifikate-Börse“ funktioniert. Bisher ist dies aber nicht der Fall, denn der Preis ist viel zu niedrig. Für die Zukunft wäre ein solches System neben der CO2-Bepreisung zu begrüßen.

Ein CO2-Preisaufschlag auf die Energiesteuern hat dagegen den großen Vorteil, dass er schnell wirkt, und das brauchen wir, da das Klimageschehen gerade außer Kontrolle zu geraten droht.

Umweltbezogene Steuern auf EU-Durchschnitt anheben & Fehllenkungen korrigieren

Laut Umweltbundesamt ist der Anteil umweltbezogener Steuern in Deutschland auf dem niedrigsten Wert seit 1995 und beträgt gegenwärtig nur noch rund 7,7 Prozent (2005 lag der Anteil umweltbezogener Steuern am Steueraufkommen noch bei 12,5 Prozent), während Steuern und Abgaben auf den Faktor Arbeit nahezu zwei Drittel der staatlichen Einnahmen ausmachen (Studie FÖS, 2017[1]). Auch im Vergleich mit anderen europäischen Ländern fällt der geringe Anteil umweltbezogener Steuern in Deutschland auf – bezogen auf das Bruttoinlandsprodukt (BIP) lag der Anteil der umweltbezogenen Steuern in Deutschland 2017 mit 1,8 Prozent unter dem EU-Durchschnitt von 2,4 Prozent.[2] Das ist auch der Grund dafür, dass die Ökosteuer auf Benzin nicht die notwendige Lenkungswirkung entfaltet hat – sie wurde leider nicht fortentwickelt.

Gleichzeitig steckt der deutsche Staat nach Auskunft des Umweltbundesamt jährlich mehr als 57 Milliarden Euro in Subventionen mit umweltschädlicher Wirkung (z.B. Steuerbefreiung für Kerosin, kostenfreie Zuteilung von CO2-Emissionsrechten, Mehrwertsteuerbefreiung für internationale Flüge, steuerliche Förderung von Dienstwagen, Exportkreditgarantien für Kohle- und Atomkraftwerke u.v.m.[3]).

Mit anderen Worten: Das deutsche Steuer- und Abgabensystem fördert mit Milliardenaufwand klima- und umweltschädliches Wirtschaften.

Für umweltgerechte Steuern!

Die Einführung eines wirksamen CO2-Preises für die Sektoren Wärme und Verkehr und eines CO2-Mindestpreises für alle Kraftwerke, die unter den europäischen Emissionshandel fallen, wie bereits von der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen vorgeschlagen, ist ein ganz wesentlicher Grundpfeiler einer ökologischen und sozialen Steuer- und Abgabenreform.

Dazu gehört auch der soziale Ausgleich aus den Mehreinnahmen durch Pro-Kopf-Auszahlungen für alle Bürger*innen sowie die Senkung der Stromsteuer auf den EU-Mindestsatz von 0,1 ct/kwh.

Es sind aber weitere Maßnahmen notwendig, auf Bundes- wie auf Landesebene, darunter:

Bereich Verkehr:

  • Dieselprivileg aufheben.
  • Einführung von City-Mauts bei Großstädten prüfen, um Anzahl der PKW-Pendler*innen in Städten zu verringern; die Gelder sollten in die Stärkung des ÖPNV fließen.
  • Steuerbegünstigungen für Strom für Elektrofahrzeuge für Unternehmen, die Ladestrom aus erneuerbaren Energien zur Verfügung stellen.
  • CO2-abhängie Besteuerung von Dienstwagen.

Bereich Wärme:

  • Befristete Investitionszulagen für Unternehmen und Privathaushalte für die Ersatzinvestition in Erneuerbare Wärme statt fossiler Energien.
  • Wärmedämmende Maßnahmen als Erhaltungsaufwand definieren, damit sie ertragsteuerlich leichter absetzbar sind – alternativ als Sonderabschreibung bei Eigennutzung (ähnlich wie bei Denkmalschutz (§ 10f EStG).

Bereich Strom:

  • Mittelfristig Erhöhung der Energiesteuern auch für Privathaushalte und energieintensive Unternehmen, um damit energiesparende Maßnahmen auch ohne Subventionen und Zulagen zu erreichen.
  • Für energieintensive Unternehmen sollen auch mittelfristig die Befreiungen von der EEG-Umlage und den Netzentgelten zurückgenommen werden.
  • Der selbstgenutzte Strom soll ganz oder zum größten Teil, jetzt in der Umbauphase, von Abgaben befreit sein.

Bereich Transport und Flugverkehr:

  • Zeitnah die Luftverkehrsabgabe deutlich erhöhen und ökologisch ausgestalten, Frachtflüge sollten gesondert belastet werden.
  • Europäische – notfalls nationale – Lösung für eine spürbare Kerosinbesteuerung.
  • Konsequenter und zeitnaher Abbau ökologisch schädlicher Subventionen für Regionalflughäfen, langfristig deren Schließung und Verlagerung aller innerdeutschen und Kurzstreckenflüge auf die Bahn.
  • Beendigung von klima- und umweltschädlichen Zuschüssen durch Unternehmen im Besitz von Land und Bund. Die Praxis der Flughafen München GmbH, Fluglinien Airlines mit Fördermittel zu locken, muss beendet werden[4].
  • Senkung des Mehrwertsteuersatz für Fahrscheine im Fernverkehr der Deutschen Bahn auf sieben Prozent.
  • Ertragsteuerliche Maßnahmen zur Verminderung des Speditionsaufkommens zwischen Produktionsstandorten und zu Versandhandelszwecken. Retouren sollen explizit bepreist werden.

[1] http://www.foes.de/pdf/2017-06-Hintergrundpapier-Steuerstruktur.pdf

[2] https://www.umweltbundesamt.de/daten/umwelt-wirtschaft/umweltbezogene-steuern-gebuehren#textpart-2

[3] https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/384/bilder/dateien/2_tab_umweltschaedl-subventionen_2017-02-03.pdf

[4] https://www.sueddeutsche.de/muenchen/flughafen-muenchen-subventionen-petition-1.4451447

Beschluss als PDF

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