Beschluss auf der Landesdelegiertenkonferenz 2019 in Lindau
BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN in Bayern lehnen das aktuelle Freihandelsabkommen mit den Staaten Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay (Mercosur) ab. Wir brauchen eine Umkehr im Denken: fairer Handel muss zentraler Bestandteil internationaler Handelsabkommen werden. Der sozial-ökologisch Anspruch muss gerade heute in internationalen Verträgen im Fokus stehen. Menschenrechte und Klimaziele lassen keinen Verhandlungsspielraum zu.
Mitte September hat das österreichische Parlament gegen das geplante Freihandelsabkommen zwischen der EU und den südamerikanischen Mercosur-Staaten gestimmt, andere Mitgliedsländer drohen mit einem Veto. Bäuerinnen und Bauern demonstrieren dagegen, nur die Bundesregierung hält an dem Abkommen fest.
Ziel eines Freihandelsabkommen ist die Senkung von Handelsschranken zu Gunsten eines freien Warenaustausches. Verbindliche Umwelt- und Sozialstandards sucht man in diesen Abkommen allerdings oftmals vergebens. Wir GRÜNE wollen jedoch ökologische, soziale und menschenrechtliche Standards erhalten und in internationalen Verträgen Geltung verschaffen. Es geht um gerechte Handelsbeziehungen. Das Primat muss der faire Handel sein und nicht der freie Handel. Es darf Europa nicht egal sein, wie Export, Wachstum und Konsum anderswo zu Armut, Raubbau an der Natur und Zukunftslosigkeit beiträgt.
In dem nun vorliegenden EU-Mercosur-Abkommen – dem größten Freihandelsabkommen, das die EU jemals ausgehandelt hat – werden aber keine verbindlichen Vereinbarungen zu Klima- und Umweltschutz, keine belastbaren Aussagen zu den Pariser Klimazielen und auch keine verpflichtende Aussagen zu Arbeits- und Sozialstandards getroffen. Auch für den Schutz der Indigenen werden keine bindenden Vereinbarungen festgeschrieben. Gut gemeinte Bekenntnisse im Nachhaltigkeitskapitel bleiben ohne weitere Ausführungen, Bestimmungen oder Sanktionen im Falle ihrer Missachtung wirkungslos. Wir machen eine Rolle rückwärts, wenn wir Freihandelsverträge abschließen, die nicht einmal die Mindeststandards erfüllen.
Wir sollen Gen-Soja und Rindfleisch aus fragwürdigem Anbau importieren, um dafür Autos und Maschinen exportieren zu können. Letztlich zahlen sowohl die europäischen Landwirte wie auch südamerikanische Kleinbauern den Preis. Nur die industrielle Agrarproduktion wird sich in solch einem Wettbewerb behaupten können. Dieser Vertrag würde eine bitter notwendige deutsche und europäische Agrarwende kaum noch möglich machen. Dazu ignorieren wir die zahlreichen sozialen und ökologischen Ziele, für die wir in Europa hart ringen und die für den Erhalt unseres Planeten unverzichtbar sind! Es ist zynisch, das Pariser Klimaabkommen und die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen zu unterschreiben und gleichzeitig auf Handelsabkommen wie das zu Mercosur zu setzen, welche den Raubbau an der Natur billigend in Kauf nehmen.
Brauchen wir noch mehr Gen-Soja, mehr Hühner- und Rindfleisch oder Billig-Zucker, mehr Ethanol-Kraftstoff aus Zuckerrohr? Warum sollen wir Milch und Käse aus Europa gegen Milch und Käse aus Südamerika tauschen? Wollen wir zusätzliche Anreize für eine Agrarindustrie, die Raubbau an Umwelt und Ressourcen betreibt? Sowohl in Argentinien wie auch in Paraguay und Brasilien wird durch das Handelsabkommen die agrarindustrielle Umwandlung der für die Menschheit überlebenswichtigen Regen- und Trockenwälder nachdrücklich forciert. Die dortige Agrarindustrie überzieht im ganzen südamerikanischen Raum gewaltige Flächen mit Monokulturen. Das macht den massiven Einsatz von Pestiziden in der sechs- bis zehnfachen Menge im Vergleich zu Europa notwendig. Umwelt und Menschen vor Ort leiden darunter extrem. Hinzukommt, dass viele dieser Pestizide in Europa verboten sind, aber durch den Import wieder vermehrt auf unserem Teller landen würden.
Zudem darf die EU nicht die Politik eines Rechtsextremisten wie Jair Bolsonaro in Brasilien mit solch einem Abkommen unterstützen. Ein Präsident, der die Aneignung von Flächen für die Agrarindustrie zum obersten Ziel erklärt hat. Riesige Waldflächen werden aktuell legal und illegal gerodet. Und die indigenen Einwohner*innen Brasiliens Stück für Stück entrechtet. Wir Europäer*innen dürfen keine politischen Systeme stärken, in denen homophobes und rassistisches Verhalten verherrlicht und eine öko-vandalistische Politik begünstigt wird, die zugleich das lokale gesellschaftliche Klima und das Weltklima bedroht.
Die Europäische Landwirtschaft steht trotz Subventionen unter enormem Druck, da sie exportorientiert und an Weltmarktpreisen ausgerichtet ist. Das EU-Mercosur-Abkommen setzt besonders den europäischen Rindfleischmarkt unter Druck und das wirkt sich auch auf Bayern aus. Wir GRÜNE in Bayern sind ständig bemüht, flächenangepasste Weidehaltung in Bayern zu fördern und auszubauen, denn sie gilt als nachhaltigste Form der Nutztierhaltung, mit einer sehr positiven Wirkung auf Klimaschutz und die Artenvielfalt. Durch das EU-Mercosur-Abkommen könnte diese Form der Weidehaltung komplett unrentabel werden und über kurz oder lang verschwinden.
Wir GRÜNE stehen für fairen Handel und sehen ökologisch-soziale Standards nicht als Handelshemmnisse. Wir sollten bei internationalen Handelsabkommen Vorgaben und Regeln der regionalen Ernährungssysteme ernst nehmen, wobei das „Recht auf Nahrung und Wasser“ dabei maßgeblich ist. Nahrungsmittel sind Güter von besonderem Wert: Eine Bevölkerung kann im Zweifel auf Autos verzichten, aber nicht auf Nahrungsmittel oder eine intakte Umwelt. Die Folgen der südamerikanischen Landwirtschaft müssen uns daher auch vor dem Recht auf Leben und Nahrung interessieren. Wenn Menschen durch agrarindustrielle Anlagen die Lebensgrundlagen wie der Zugang zu Wasser oder eine giftfreie Umgebung genommen werden, wenn indigene Bevölkerungsteile entrechtet werden oder massive Umweltzerstörung betrieben wird, dann sind das Folgen, die Europa nicht hinnehmen kann. Ein Handelsabkommen, das verkürzt Autos gegen Gen-Soja und Rindfleisch tauscht, muss die Folgen dieser Geschäfte für Umwelt und Klima sowie für die Bevölkerung in der Partnerregion berücksichtigen. Das ist bei diesem Abkommen aktuell nicht der Fall. Wir wollen die notwendige Transformation für eine klimagerechte Zukunft nicht durch den globalen Wettbewerb um niedrige Standards untergraben lassen sondern den Raubbau an der Natur weltweit beenden.
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in Bayern lehnen das EU-Mercosur-Abkommen aus den oben genannten Gründen ab und fordern die Bayerische Staatsregierung auf im Bundesrat gegen eine Ratifizierung des EU-Mercosur-Abkommen zu stimmen.
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