Landwirtschaft

Agrarwende jetzt einleiten: Für eine wirksame Reform der EU-Landwirtschaftspolitik

Beschluss des Digitalen Kleinen Parteitags der bayerischen Grünen vom 11. Juli 2020

Im Oktober 2020 wird ein neuer EU-Haushalt für die kommenden sieben Jahre beschlossen. Mit diesem neuen Haushalt wird auch die europäische Landwirtschaftsförderung reformiert. Rund 64 Milliarden Euro werden jährlich für die Förderung der Landwirtschaft und der ländlichen Räume ausgegeben. Davon gehen mehr als zwei Drittel oder 40 Milliarden Euro als flächenbezogene Direktzahlungen an die Landwirtschaft. Diese immense Summe beeinflusst maßgebend, wie Landwirtschaft in Europa betrieben wird und welche Umweltauswirkungen sie hat. Bisher wurde das Geld weitgehend unabhängig von der Art der Bewirtschaftung verteilt. Gesellschaftlich erwünschte Umweltleistungen wurden bisher kaum honoriert.

Die Landbewirtschaftung verursacht vielerorts in der EU jedoch erhebliche Probleme u.a. in den Bereichen Klima- und Gewässerschutz, Artenvielfalt und Tierwohl. Wissenschaftler, allen voran die wissenschaftlichen Beiräte für Agrarpolitik und für Biodiversität, fordern deshalb schon lange, endlich einen konsequenten Umbau der Agrar-Förderpolitik einzuleiten.

Die anstehende Reform der EU-Landwirtschaftsförderung bietet jetzt die Möglichkeit die Weichen für die nächsten Jahre neu zu stellen. Doch die bisher gemachten Reformvorschläge seitens des Parlaments und des Rates werden kaum Verbesserungen bringen. Vielmehr zeichnet sich ab, dass wieder und verstärkt die Intensivierung der Landwirtschaft zu Lasten von Umwelt-, Klimaschutz und Tierwohl, im Vordergrund stehen wird. Konzentrationsprozesse in der Landwirtschaft und das Höfesterben werden so nicht gestoppt.

Mit der kürzlich erschienen „Farm-to-Fork“- und der Biodiversitätsstrategie des Green Deals erkennt die EU-Kommission an, dass wir ein Umdenken in der Landwirtschaft hin zu mehr Umwelt- und Naturschutz brauchen, mit ihrem Vorschlag zur Ausgestaltung der GAP wird sie allerdings ihre eigenen Strategie-Pläne nicht umsetzen können.

Wir fordern deshalb, diese Reform endlich entsprechend den Vorschlägen der Wissenschaft und den Wünschen der europäischen Bürgerinnen und Bürger zu nutzen und eine klare Agrarwende einzuleiten, von der Bäuerinnen und Bauern genauso profitieren wie Umwelt, Natur, Klima und Tierwohl.

Umbau der EU-Agrarsubventionen

Die derzeit geltenden Minimalstandards für flächenbezogene Direktzahlungen haben zu keinen entscheidenden Verbesserungen bei Klima, Naturschutz und Tierwohl geführt. Deshalb fordern wir einen systematischen Umbau und ein Auslaufen von rein flächenbezogenen Direktzahlungen hin zur ausschließlichen Honorierung von Leistungen für Gesellschaft und Ökosysteme. In Zukunft soll ein wesentlicher und kontinuierlich wachsender Teil der Direktzahlungen an konkrete Umwelt-, Klima- und Tierschutzmaßnahmen gebunden sein. Damit soll der Ausbau des Ökolandbaus gefördert und die Ökologisierung der konventionellen Landwirtschaft systematisch vorangetrieben und ausgebaut werden.

Zu Beginn der nächsten siebenjährigen Förderperiode sollen zunächst 40 Prozent der Direktzahlungen an solche Maßnahmen gekoppelt sein. Bis zum Ende der kommenden Förderperiode soll der Anteil auf 70% steigen. Im Laufe der sich anschließenden Förderperiode soll sich der Umbau fortsetzen, an ihrem Ende werden Gelder der EU nur noch und ausschließlich für die Erbringung von wirksamen gesellschaftlichen Leistungen ausbezahlt.

Von Beginn an müssen verbindliche Umwelt-, Klima- und Tierschutzziele für alle Mitgliedsstaaten vorgegeben werden, um einen Dumpingwettbewerb um die geringsten Umweltstandards zu verhindern.

Die flächengebundene Tierhaltung (höchstens 2 GV/Hektar; regionale, überbetriebliche Kooperationen können berücksichtigt werden) ist Voraussetzung für die Grundförderung.

Um dem Größenvorteil entgegenzuwirken und kleine und mittlere Betriebe nicht zu benachteiligen wird eine Degression der Leistungen eingeführt, dabei sind Arbeitskräfte auf die Degression anzurechnen.

Bewertung durch ein Punktesystem

Langfristig soll das derzeitige Zwei-Säulen-Prinzip abgebaut und durch ein Punktesystem ersetzt werden. Das Punktesystem bewertet die ökologischen Leistungen sowie Tierwohlleistungen der Betriebe.

Die Höhe der Direktzahlungen hängt dann von den erworbenen Punkten ab. Je mehr Ökosystemdienst- und Tierwohlleistungen ein Betrieb erbringt, umso höhere Leistungen erhält er. Die Punktesysteme der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) und des deutschen Verbandes für Landschaftspflege (DVL) liefern hierfür gute Beispiele.

Auf dem Weg dorthin sind – als Übergangslösung – folgende Schritte einzuleiten: Ein großer Teil der Direktzahlungen der ersten Säule muss von allen Mitgliedsstaaten verpflichtend für Umweltmaßnahmen (Ecoschemes) genutzt werden. Mittel aus der ersten Säule müssen in die finanziell geschwächte zweite Säule umgeschichtet werden, um dort Agrarumweltmaßnahmen, den ökologischen Landbau und Maßnahmen zur flächengebundenen und artgerechten Tierhaltung finanzieren zu können.

Kriterien für die Umwelt-, Klima und Tierschutzmaßnahmen

Das Angebot von Maßnahmen zur Honorierung von Umwelt-, Klima- und tierwohlbezogenen Gemeinwohlleistungen soll ausgeweitet werden. Die Mitgliedsländer entwickeln Maßnahmenkataloge, die insbesondere folgende Aufgabengebiete verbindlich enthalten: Die Förderung des Ökolandbaus sowie Agrarumweltmaßnahmen im Besonderen für folgende Bereiche: Klima-, Boden- und Wasserschutz, Moorschutz und Paludikultur, Biodiversitäts- & Biotopschutz, regenerative Landbausysteme (u.a. Agroforstsysteme) und Tierwohl (Förderung von Tierhaltung, die das Ausleben von arteigenen Verhaltensweisen ermöglicht).

Es sind sowohl jährliche, als auch Dauermaßnahmen anzubieten, letztere sollen aber langfristig überwiegen, da ihr naturschutzfachlicher Nutzen signifikant höher ausfällt und sie den Landwirten mehr Planungssicherheit bieten. Die Maßnahmen sollen standortspezifisch, zielorientiert und hinreichend finanziert sein. Kooperative und flexible Ansätze für ein integriertes Landschafts- und Ressourcenmanagement sind zu entwickeln und anzuwenden. Alle Maßnahmen sind darauf zu prüfen, ob sie dem Ziel des Erhalts und der Förderung der biologischen Vielfalt nicht zuwiderlaufen.

Die Ökolandbauförderung muss länderübergreifend gesichert sein, so dass das Entwicklungsziel von mindestens 25% Ökolandbau bis 2030 europaweit finanziell umgesetzt werden kann. Langfristig soll der Ökolandbau als Leitbild der europäischen Landwirtschaft noch wesentlich mehr ausgebaut und die konventionelle Landwirtschaft ökologisiert werden. Artgerechte Tierhaltung und Tiergesundheit muss vermehrt gefördert werden, Stallbauförderung muss sich an den Vorgaben für ökologische Tierhaltung orientieren.

Evaluierung und Zielerreichung

Durch Monitoring wird die Wirksamkeit der Maßnahmen fortgehend evaluiert, die Länder sind zur Zielerreichung verpflichtet. Die wissenschaftliche Überprüfung des Erfolgs der verschiedenen Maßnahmen erfolgt in einem inter- und transdisziplinären Ansatz, der die Landwirte und die übrigen Akteure vor Ort einbezieht. Dazu muss zeitnah in ein Monitoring-System investiert werden.

Über die betriebliche Förderpolitik hinausgehende Ziele innerhalb der EU-Agrarpolitik

Zusätzlich zu der Förderung von Umwelt- Klima- und Tierschutzmaßnahmen auf landwirtschaftlichen Betrieben über ein Punktesystem setzen wir uns dafür ein, dass der Europäische Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) finanziell gut ausgestattet wird. Strategisch soll über diesen die ländliche Entwicklung und der Auf- und Ausbau von regionalen Wertschöpfungsketten unterstützt werden. Insbesondere die der landwirtschaftlichen Primärproduktion nachgelagerten Bereiche der Lebensmittelverarbeitung, -vermarktung und Logistik sollen gefördert werden und zu einer regional verankerten Lebensmittelversorgung der Bevölkerung beitragen und den Landwirtinnen und Landwirten ein sicheres Einkommen ermöglichen.

Wir wollen außerdem den europäischen Landwirtinnen und Landwirten Produktions- und Absatzsicherheit geben und hohe ökologische Standards garantieren. Deshalb muss sichergestellt werden, dass EU-Importe nur zugelassen werden, wenn bei ihrer Produktion nachweislich EU-Standards – auch bei Umwelt- und Klimaschutzmaßnahmen – eingehalten wurden.

Gleichzeitig soll der Absatz von Produkten aus EU-Landwirtschaft durch eine einzuführende verbindliche Herkunftsangabe gefördert werden. Auf jedem Produkt soll ausgelobt sein, wo die Rohstoffe herkommen, nicht wie bisher, nur der Verarbeitungs- bzw. Verpackungsort.

Um den Tierhaltungsstandard EU-weit zu verbessern und anzugleichen setzen wir uns für eine verbindliche 4-stufige Haltungskennzeichnung für alle tierischen Produkte (einschließlich verarbeiteter Produkte) ein.

Beschluss als PDF

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