Bad Windsheim

Die Klimakrise verlangt radikales Umdenken

Beschluss der Landesdelegiertenkonferenz 2019 in Bad Windsheim

Es ist an der Zeit zu Handeln. Zum Schutz unseres Planeten müssen wir radikal umdenken und entschlossen vorangehen. Die technologisch führenden Länder haben eine große Verantwortung bei der Bewältigung der Herausforderung der Erdüberhitzung. Bayern muss seinen Beitrag leisten, damit die heute bewohnten Erdteile bewohnbar bleiben und unsere Kinder und Enkelkinder ein unbeschwertes Leben führen können.

Die Staatengemeinschaft hat sich auf der jüngsten Klimakonferenz Ende 2018 in Katowice ein Regelwerk zur Überprüfung der Fortschritte beim Klimaschutz gegeben. Das ist ein wichtiger Erfolg, der aber auch verdeutlicht, dass es die Mitgliedsstaaten sind, die jetzt konkret aktiv werden müssen.
Wir wollen uns dieser Herausforderung für Bayern stellen.

Klimaschutz – ein Muss, kein Vielleicht

Die Folgen der Erdüberhitzung werden immer drastischer sichtbar und am eigenen Leib spürbar. Von der Dürre auf den Feldern Frankens, der Hitze in Bayerns Metropolen, dem Abschmelzen der Alpengletscher, bis hin zu Waldbränden, Wirbelstürmen und Überflutungen weltweit. Die Klimakrise hat unterschiedliche Auswirkungen in den verschiedenen Regionen der Erde und die Verletzlichkeit der Länder hängt nicht zuletzt auch davon ab, wie reich sie sind. Wir als reiche Industrienation stehen ganz besonders in der Pflicht, eine Vorreiterrolle im globalen Klimaschutz einzunehmen. Deutschland und damit auch Bayern darf klimapolitisch nicht länger auf der Bremse stehen und gleichzeitig ungehindert einen Lebensstil auf Kosten der benachteiligten Weltbevölkerung führen.

Radikale Ziele

Die Bayerische Staatsregierung will zwar wenige Akzente setzen, aber neben dem Verfassungsrang für den Klimaschutz braucht es angesichts der Realität der Erdüberhitzung ein bayerisches Klimaschutzgesetz mit ehrgeizigen Zielen. Wir GRÜNE fordern daher Ziele und Maßnahmen, die im Einklang stehen mit den Berechnungen des Weltklimarats IPCC, damit wir den weltweiten Temperaturanstieg auf 1,5 Grad abbremsen können. Dafür sind folgende verbindliche Zielsetzungen in ein bayerisches Klimaschutzgesetz aufzunehmen:

  1. Die Gesamtsumme der in Bayern verursachten Treibhausgasemissionen soll von 2019 an maximal eine Milliarde Tonnen CO2-Äquivalente betragen.
  2. Die Treibhausgasemissionen sollen im Jahr 2030 durchschnittlich unter drei Tonnen pro Kopf betragen
  3. Ab spätestens 2050 ist Bayern klimaneutral.

Klimaschutz – ein Gewinn

Die gute Nachricht: Wir können noch umsteuern, wenn wir jetzt aktiv werden. Technologisch ist die Umsetzung der Wende in den Bereichen Strom, Wärme und Kälte, Verkehr und Landwirtschaft möglich. Bei kluger Ausrichtung profitieren alle Menschen von einer regionalen Energiewende, von gut gedämmten und erneuerbar beheizten Gebäuden, von gesamtheitlich gedachten und klimafreundlichen Mobilitäts- und Raumplanungskonzepten und einer naturverträglichen Landwirtschaft. Weltweit wird eine Umstellung der Produktionsprozesse hin zu klimaneutraler Produktion einsetzen. Deutschland und Bayern können bei diesem Prozess technologisch eine Führungsrolle einnehmen, die heimische Wirtschaft nachhaltig stärken und gleichzeitig durch einen Technologietransfer in andere Länder eine Erreichung der Klimaziele sicherstellen.

Was wir brauchen, ist eine Aufbruchsstimmung, das Lösen von alten Technologien und eine umfassende Bereitschaft von Regierungen, Unternehmen und jedem einzelnen Menschen, am globalen Klimaschutz aktiv mitzuwirken.

Klimaschutz und Gerechtigkeit

Der Klimawandel ist „ungerecht“ – er trifft die Armen stärker als die Reichen. Das gilt sowohl im globalen Maßstab, aber auch im eigenen Land. Gute Klimaschutzpolitik muss gerecht sein und hat bestehende Ungerechtigkeiten auszugleichen.

Eine Klimaschutzpolitik, die international den reichen Ländern weiter eine Zerstörung der globalen Lebensgrundlagen ermöglicht, aber die Menschen in den stark betroffenen Ländern alleine lässt, würde noch mehr Menschen in ausweglose Situationen und in die Flucht treiben. Aber sie ist nicht nur ungerecht, sondern würde eine Erreichung der globalen Klimaschutzziele auch unmöglich machen. So ergeben die Berechnungen des IPCC, dass eine Begrenzung der Erwärmung auf 1,5 Grad im Vergleich zu 2 Grad die Anzahl der Menschen, die sowohl klimabedingten Risiken ausgesetzt als auch armutsgefährdet sind, bis zum Jahr 2050 um mehrere hundert Millionen senken würde.

Eine entsprechende Gerechtigkeitsfrage stellt sich auch im eigenen Land. Klimaschutz braucht eine soziale Balance. Klimaschonendes Verhalten darf keine Frage des individuellen Einkommens sein: Weder dürfen sozial schwache Menschen aufgrund ihrer Armut zu klimaschonenden Verhalten gezwungen“ werden, noch darf Reichtum klimaschädliches Verhalten legitimieren. Klimaschutz braucht nachvollziehbare und wirksame Instrumente, die den Alltag aller Menschen klimafreundlicher gestalten.

CO2 einen Preis geben

Die nötige Umstellung unserer Verhaltensweisen und der Produktionsprozesse ist vielfältig. Marktwirtschaftlich ist diese Umstellung auf eine klimafreundliche Wirtschaftsweise und Konsumverhalten durch entsprechende Preissignale zu fördern. Alle Erfolge im Klimaschutzbereich wurden bisher fast ausschließlich im Bereich der Stromerzeugung erreicht durch die Einführung des EEG und die Etablierung der erneuerbaren Energien. Rund die Hälfte der CO2-Emissionen wird jedoch in anderen Bereichen, wie Wärme, Verkehr und Landwirtschaft verursacht. Fossile Treib- und Brennstoffe müssen entsprechend ihrem jeweils spezifischen CO2-Ausstoß den wahren Preis kosten, der die Umweltschäden vollumfänglich berücksichtigt.

Da Steuern und Abgaben auf Verbrauch immer ärmere Haushalte stärker belasten als reichere, wollen wir die zusätzlichen Einnahmen aus der CO2-Besteuerung an die Verbraucher*innen zurückgeben. Unser Ziel ist die Schaffung eines Energiegeldes als Pro-Kopf-Zahlung an die Menschen. Solange dies nicht europäisch umsetzbar ist, werden wir uns auf nationaler Ebene dafür einsetzen. Im ersten Schritt soll ein CO2-Preis von 40 € pro Tonne CO2 eingeführt und die entsprechenden Einnahmen pro Kopf zurückgezahlt werden. Außerdem fordern wir eine weitere Reform des EU-Emmissionshandels, insbesondere entsprechend des Pariser Klimaziels eine zusätzliche Reduzierung der CO2-Zertifikate.

Wir wollen Energiearmut bekämpfen, indem Sozialtarife geschaffen werden, betroffene Haushalte eine kostenfreie und unabhängige Energieberatungen erhalten und die eigene Energieerzeugung und -einsparung gefördert wird.

Klimaschutz und Lebensstil

Starke marktwirtschaftliche Instrumente sind wichtig und können viel dazu beitragen, um die Entwicklung umzusteuern. Sie alleine werden aber nicht ausreichen. Denn bereits ein kleiner Teil der Erdbevölkerung ist in der Lage, mit ihrem auf Reichtum, permanentem Wachstum und Ausbeutung anderer Volkswirtschaften basierenden Lebensstil, die Lebensgrundlagen für alle Menschen zu zerstören. Daher brauchen wir auch deutliche ordnungsrechtliche Regelungen und Einschränkungen, um exzessive und ökologisch unverträgliche Lebensstile zu beenden und allen Menschen Chancen für ein gesundes und gesichertes Leben zu geben.

Wir wissen alle, dass wir in den Industrienationen erheblich dazu beitragen unsere Lebensgrundlagen zu zerstören. Wir wollen alles daran setzen, um sowohl durch veränderte Rahmenbedingungen, als auch durch neue Technologien unseren Alltag nachhaltiger zu machen.

Gleichwohl erkennen wir auch, dass dies alleine nicht genügen wird: auch erneuerbare Energien ermöglichen keine grenzenlose Mobilität, auch ökologischer Landbau ermöglicht keinen grenzenlosen Fleischkonsum, auch nachwachsende Rohstoffe und geschlossene Stoffkreisläufe ermöglichen keinen grenzenlosen Konsum. Wir brauchen eine Debatte über eine nachhaltige Lebensweise, die in zweierlei Hinsicht sozial sein muss: Reichtum darf nicht zu zerstörerischem Lebensstil führen, ein nachhaltiger Lebensstil darf nicht die Armut verschärfen.
Wir sind überzeugt, dass es dabei nicht reicht, auf freiwillige Maßnahmen, wie beispielsweise Selbstverpflichtungen der Unternehmen, zu setzen, wie die bayerische Staatsregierung dies tut. Sie garantieren weder die Gerechtigkeit für die nachfolgenden Generationen noch den dringend notwendigen internationalen Ausgleich.

Werden wir radikal und realistisch

Die Zeit drängt, dies wird von Jahr zu Jahr offensichtlicher. Und doch fällt es offensichtlich schwer, die Konsequenzen zu ziehen. Und auch ein Fingerzeig auf andere, die zu wenig tun, trägt nur wenig zur Lösung bei, solange wir nicht selber entschiedene und vielleicht auch schmerzhafte Schritte gehen.
Wir brauchen radikale und realistische Maßnahmen. Radikal in dem Sinne, dass tatsächlich die Ursachen der Erdüberhitzung angegangen werden und realistisch in dem Sinne, dass auch die Realität in fünfzig oder hundert Jahren in den Blick genommen wird. Wer dies jetzt immer noch nicht tut, macht sich schuldig an dieser und zukünftigen Generationen.
Deshalb brauchen wir:

  1. Verfassungsrang für den Klimaschutz
  2. Verankerung der Energieversorgung durch Erneuerbare Energien in der Verfassung
  3. Ein bayerisches Klimaschutzgesetz mit den genannten verbindlichen Zielen
  4. Klare und verbindliche Ziele und Maßnahmen in den Sektoren Wärme, Verkehr, Landwirtschaft und Strom
  5. Beratungsangebote und effektive Förderprogramme in vielfältiger Form (Umweltbildung, Energieagenturen…)
  6. Eine Bepreisung von CO2, welche eine Belohnung klimafreundlichen Verhaltens sicherstellt.

 

Der Beschluss als PDF

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